Textarchiv - Karl Ludwig von Knebel https://www.textarchiv.com/karl-ludwig-von-knebel Deutscher Lyriker und Übersetzer. Geboren am 30. November 1744 auf Schloss Wallerstein bei Nördlingen. Gestorben am 23. Februar 1834 in Jena. de Die Stunden https://www.textarchiv.com/karl-ludwig-von-knebel/die-stunden <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Stunden hat der Tag nicht allein; den Morgen, den Abend,<br /> Und den heißen Mittag, und die verschwiegene Nacht.<br /> Stunden hat auch das Jahr; das Leben selber hat Stunden,<br /> Und mit der Stunde des Tags eilt es auf Flügeln davon.<br /> Als Aurora, die goldne, von ewigen Flammen entzündet,<br /> Sie, die unsterbliche, sich ihrem Gemahle verlobt,<br /> Bat sie die Götter, auch ihm unsterbliches Leben zu schenken;<br /> Und sie gewährten den Wunsch, ewiges Leben für ihn,<br /> Aber nicht ewiges Glück: denn dies vergaß sie zu bitten.<br /> Memnons Erzeuger, im Arm rosiger Liebe gepflegt,<br /> Wird ein alternder Gott: was nützt die Dauer der Jahre<br /> Ohne der Jahre Genuß? ewig verzehrt er sich selbst.<br /> Aehnlich ist unser Loos; der Zeit verheerende Sichel,<br /> Was sie an Jahren läßt, mäht sie an Freuden uns ab.<br /> Träume vergangner Zeit, wohin doch seyd ihr entflohen?<br /> Die ihr den dürren Sand oft mir mit Blumen bestreut!<br /> Oft, in Wolken gemalt, mit süßen Bildern mich täuschtet,<br /> Wann ich, vergnügt mit dem Tag, froher den kommenden sah!<br /> Ist es der Dinge wahre Gestalt, wenn nackt und entblättert,<br /> Nur ein trauriger Dorn unserem Auge sich zeigt?<br /> Nichts bleibt ewig bestehn; auch dies, was Leben wir nennen,<br /> Ist ein wechselndes Rad immer erneuter Gestalt.<br /> Unreif noch zur Geburt liegt tief im Schooße der Mutter<br /> Eingeschlossen das Kind, fast einem Wurme noch gleich.<br /> Dränget es dann sich hervor zum glänzenden Lichte des Tages,<br /> Schmachtet und dämmert es auf unter Gewimmer und Schlaf.<br /> Fröhlicher hüpft der Knab’ und führt sein gaukelndes Leben,<br /> Von dem Momente beglückt, von dem Momente betrübt.<br /> Aber der rasche Jüngling vertauscht sein eigenes Daseyn<br /> Gegen fremdes Geschick, wann ihn die Liebe bethört.<br /> Ist nun das Alter des Manns zur hohen Reife gestiegen,<br /> Drücket des Geistes Spur tiefer den Dingen er ein;<br /> Ehre täuscht ihn und Namen, ein immerwachsend Verlangen<br /> Treibet ihn hin nach dem Ziel, welches er nimmer erreicht.<br /> Nach und nach entblättert sich dann der Stamm, und die Zweige<br /> Sinken; matt und entstellt endet der zitternde Greis.<br /> Auch mir eilet die Stunde mit schnellerem Fittig vorüber;<br /> Meinen Schläfen entsproßt Blüthe des Alters bereits.<br /> Mit den Locken des Haupts entfallen Freuden und Freunde;<br /> Nur dem schattigen Baum eilet der Wanderer zu,<br /> Geht an dem kahlen Stamm der hohen Fichte vorüber,<br /> Die in dem goldnen Strahl einsam den Wipfel bewegt.<br /> Sey’s mir indessen vergönnt, am steilen Hange des Felsen,<br /> Fernhin horchend des Pan göttlichbezauberndem Lied,<br /> Meine Seele zu weiden; wann ringsum schweigen die Hügel,<br /> Und mithorchend der Hain leise die Aeste nur regt.<br /> Auch sey mir es vergönnt, zu besuchen die lieblichen Gründe,<br /> Wo der harmonische Klang weidender Rinder mich lockt;<br /> Dort, am Falle des Stroms, der unter Blumen herabstürzt,<br /> Schöpf’ ich das Leben aus ihm, wie er sich lebend ergeußt.<br /> Immer verjüngt wie er, vom Abendschimmer vergoldet,<br /> Fließe mein Leben noch hin, unter der Büsche Gesang.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/karl-ludwig-von-knebel" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Karl Ludwig von Knebel</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1800</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/karl-ludwig-von-knebel/die-stunden" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Die Stunden" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Jan 2015 21:05:53 +0000 admin 711 at https://www.textarchiv.com