Textarchiv - Ernst Blass
https://www.textarchiv.com/ernst-blass
Deutscher Dichter, Kritiker und Schriftsteller. Geboren am 17. Oktober 1890 in Berlin. Gestorben am 23. Januar 1939 in Berlin.
deAuf einen Gefallen
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/auf-einen-gefallen
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Als Bewußtsein deines Falles<br />
Unser armes Herz durchdrang:<br />
Wieder wars geschehn um alles,<br />
Wir erbleichten, wurden krank.<br />
Und die wissender sich deuchten,<br />
Fühlten, daß sie nicht gewußt,<br />
Als sie so verließ dein Leuchten,<br />
Übertraf sie der Verlust.</p>
<p>Wie du zieltest, wie du ranntest,<br />
Ließen froh wir dich hinweg,<br />
Keinen Blick auf uns verwandtest<br />
Du aus Augen stark und keck.<br />
Eiltest herrisch durch das Leben,<br />
Schiedest ohne letzten Wink,<br />
Und wir fühlten dich fast schweben,<br />
Als dein Licht schon unterging.</p>
<p>Wiederum in jähem Sturze<br />
Fiel ein Knabe unbewacht,<br />
Den es hinriß durch die kurze<br />
Lebenszeit zu Kampf und Schlacht.<br />
Reinem Lose, stolzem Fliegen,<br />
Unbewußtem Überschwang,<br />
Führe es auch nicht zu Siegen,<br />
Schallt doch ewig der Gesang.</p>
<p>Was ruft die längst entschwundenen Gefühle,<br />
Noch immer fordernd, daß ich Rede steh?<br />
Ward nicht ein Neues durch des Todes Kühle,<br />
Wie sich das Land verändert durch den Schnee?</p>
<p>Nennt ein Gespenst mir noch die taumelnd-schwüle,<br />
Doch lang verschneite Stunde auf dem See,<br />
Die Blumensprache und den Tanz am Bühle?<br />
Ward nicht zur Lösung uns das weite Weh?</p>
<p>Mit weißer Decke feierlich bekleidet<br />
Der Leichnam ruht, die Erde harrend steht<br />
Und namenloser als ein Mensch, der leidet . .</p>
<p>Was hindert das beginnende Gebet?<br />
Ist es der grimmen Wolken wilde Reise?<br />
Oder das dunkle Brauen unterm Eise?</p>
<p>Nun herrschen über ihn der Fremde Geister,<br />
Und nur der Wind ist ein bekannt Geleit.<br />
Nun ist er abgeschieden und verwaister<br />
Als jemals in erwünschter Einsamkeit.</p>
<p>Ihn führten fort die unsichtbaren Meister,<br />
Doch selbst ihr Hohn verließ ihn vor der Zeit.<br />
Nun schrillt im Walde blinder und ergreister<br />
Baumstämme über ihm der Wolken Streit.</p>
<p>Ein wandernd Wesen mit verlornen Sinnen<br />
Ist seine Seele, von der Not verheert,<br />
Rufen der Angst hebt an, ihm zu entrinnen . .</p>
<p>Da aber wird die Tröstung neu gewährt:<br />
Des Echo Antwort tönt nach kleiner Weile<br />
Wie eine ferne Botschaft von dem Heile.</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/auf-einen-gefallen" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Auf einen Gefallen" class="rdf-meta element-hidden"></span>Wed, 17 Feb 2016 23:00:02 +0000akessler1366 at https://www.textarchiv.comChöre
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/choere
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Wir lagen lang an Küsten<br />
Und sind nun aufgewacht,<br />
Ach, wenn die andern wüßten<br />
Um unsere Mitternacht.<br />
Das Wasser in dem Tale,<br />
Der Berg in dunkler Ruh,<br />
Die Luft ist leis und fahle<br />
Und schillert immerzu.</p>
<p>Wir sind im nächtigen Walde<br />
Ein flatternder Verein.<br />
Die schwesterliche Halde<br />
Pflegt ihre Brüderlein.<br />
Von Spitzen über Täler<br />
Wir setzen kühn hinweg,<br />
Wir fliehn die Sterbemäler<br />
Und suchen doch Versteck.</p>
<p>Auf Gipfeln und auf Graten<br />
Uns wächst ein hoher Schwung.<br />
Von unseren Mannestaten<br />
Blüht die Erinnerung.<br />
Und während wir uns halten<br />
Im Wind, der uns umgibt,<br />
Verspüren wir ein Walten<br />
Und fühlen uns geliebt.</p>
<p>Es wurde um uns stummer,<br />
Wir werden nicht geschreckt,<br />
Da Wolke wie ein Schlummer<br />
Nun unser Sein bedeckt.<br />
Und wenn vom Geigenspiele<br />
Ein Hauch vorüberstreift,<br />
Ist's schon, als ob am Ziele<br />
Uns eine Hand ergreift.</p>
<p>Im Himmel und auf Erden<br />
Ist eine Allgewalt,<br />
Der Hirte aller Herden,<br />
Er bleibt ein starker Halt,<br />
Die Sonne, die auf allen<br />
Viel Seiten uns bescheint,<br />
Und die in ihrem Wallen<br />
So scheidet wie vereint.</p>
<p>Die Fische auf dem Grunde<br />
Sind ihm anheim gestellt,<br />
Der Wolken große Runde<br />
Steht an dem Himmelszelt,<br />
Die Flüsse in den Ländern,<br />
Sie nehmen ihren Lauf,<br />
Und nichts mag sich verändern,<br />
Er sähe denn darauf.</p>
<p>So ist in heiligem Walten<br />
Die ganze Welt vollbracht,<br />
Den Jungen und den Alten<br />
Wird immer Tag und Nacht!</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/choere" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Chöre" class="rdf-meta element-hidden"></span>Thu, 26 Nov 2015 23:00:02 +0000akessler1368 at https://www.textarchiv.comAn den Leutnant F. H. S.
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/an-den-leutnant-f-h-s
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Bewahrt dein Heimlichsein dir noch das Bild<br />
Des hellen Stromes mit den lockern Booten?<br />
In Stunden, die verworren sind und wild,<br />
Begraben wir den Lenz wie einen Toten.</p>
<p>Zu keiner Rückkehr altem Übermut<br />
Ist dein wie mein Herz einmal noch bereitet,<br />
Es überkam uns früh die große Flut<br />
Mit der, die unser Leben nun begleitet:</p>
<p>Der ewigen Not, die unser Einstmal schlug,<br />
Frohlockend, unsre Blumen auszujäten . .<br />
Und siehst du den gespensterhaften Flug<br />
Der Wolken in den grausen Nebel-Städten?</p>
<p>Die Tage, die von Vogelsang durchschwirrten,<br />
Sind nun von tobenderem Klang verdrängt,<br />
Und unser Dasein -- Dasein wie von Hirten --<br />
Ward auch in frühem Massengrab versenkt.</p>
<p>Wir horchen ängstlich, was der Wind uns raune,<br />
Der zwischen uns die großen Felder trifft:<br />
Ist es des Ares niemals satte Laune?<br />
Steht in den Sternen es in ewiger Schrift?</p>
<p>In Leichtsinn und in Schwermut den Genossen<br />
Sah ich in dir, da du mir nie entflohst,<br />
Nun steigt aus Monden, sind sie auch verflossen,<br />
Dankbar Gedenken uns zu schlichtem Trost.</p>
<p>Ich kam von Trennung zu dem Erdenlicht:<br />
Zuerst bedürfend noch heilsamer Pflegung,<br />
Ward mir ein Helfer manches Angesicht,<br />
Und Balsam manche freiere Bewegung.</p>
<p>Und wie ich schnell sodann bei euch genas,<br />
Ward ich euch bald zu einer schönen Freude,<br />
Und unsrer Freundschaft angenehmes Maß<br />
Erbaute sich ein reinliches Gebäude.</p>
<p>Dann kam die Zeit aus Spielen, Üben, Scherzen,<br />
Da selten nur ein Trübsinn Einlaß fand.<br />
Und fast unmerklich reiften unsre Herzen<br />
Zu innigem und zärtlichem Verband.</p>
<p>Laß mich die Hecken nennen und die Plätze,<br />
Natur, die willig angetragen ward . .<br />
Und wie wir sannen, was uns leicht ergetze,<br />
Gefährten wir von kaum gewußter Fahrt . .</p>
<p>Die Straßen, sich mit Dämmerung bekleidend,<br />
Den Mittag, der auf grünem Lande schlief,<br />
Die Blumen, ein' die andre nicht beneidend,<br />
Die Sonne, die uns strahlte rein und tief,</p>
<p>Und manche Pfade, die in klarer Biegung<br />
Durch Fruchtbarkeiten führten in das Tal,<br />
Wenn vor der abenddunkelen Besiegung<br />
Der Berg erglänzte noch ein letztes Mal.</p>
<p>So war der Lenz, ewigen Glaubens Spender,<br />
Selber so ewig nicht wie er gelind:<br />
Der heitren Jugend kam der rauhe Wender,<br />
Und unsrer Wiesen Herrscher ward der Wind.</p>
<p>Doch glauben wir, getreu dem ernsten Bunde,<br />
Die Kraft von stillem und erhabnem Lied<br />
Und preisen in der nun erhaltnen Wunde<br />
Die Einfachheit des Opfers, das geschieht.</p>
<p>Denn nicht im Feuer und im Wolkenbruche,<br />
Nicht in der Schlachten blutigem Gezerr:<br />
Es lebet Gott in einem schlichten Spruche,<br />
In sanftem Wehen ist der Herr.</p>
<p>Wir singen nicht die rasende Trompete,<br />
Wir nicht Verwirrung und das Schlachtgeschrei,<br />
Gesammelt zu betätigtem Gebete<br />
Der Geist des Volkes heil und heilig sei,</p>
<p>Nicht Schwärme hassend, die er nicht gekannt,<br />
Nicht Stürzende von unerklärten Tiefen,<br />
Nicht Herzen, von der großen Not verbrannt,<br />
Die früher in verlorener Kindheit schliefen.</p>
<p>Doch folgt voll Willen eine jede Schar<br />
Dem Ruf um seinen Schutz und seine Wehr<br />
Zum Opfer für das Land, das sie gebar:<br />
Das mütterliche Deutschland um sie her.</p>
<p>Ja, Deutschland, deiner Not und deiner Feier<br />
Sei diese Klage, dieser Sang erbaut,<br />
Und deines Dichters schmerz-bewegte Leier<br />
Berühre sich mit heimlicherem Laut.</p>
<p>Nicht deine Landschaft grüßen wir, die schöne,<br />
Zur mächtigen Stund', die das Gewicht verschob,<br />
Auch nicht die Kindertreue deiner Söhne,<br />
Sie klinge nicht aus dieses Liedes Lob.</p>
<p>Wir singen heut nicht Liebe deiner Hänge,<br />
Der Plane, Wälder nicht und nicht der Lauben,<br />
Schlug auch der Schmerz Erleben und Gesänge:<br />
Wir wissen deine Hoffnung, deinen Glauben.</p>
<p>O Freund, ich sehe dich in ferner Stadt<br />
Die Seele ernsthaft meinen Versen leihen.<br />
Erinnerung an zartes grünes Blatt<br />
Im Sonnenschein steigt auf aus meinen Reihen.</p>
<p>Was wir verloren haben, ist bestattet,<br />
Nach kurzem Glück der Erde heimgegeben.<br />
Wir werden solchen Frühling, bald verschattet,<br />
Nie wieder auf der weiten Welt erleben.</p>
<p>Denn niemals wird der Winter uns verjähren,<br />
Der so uns traf in unseren Jugend-Lenzen.<br />
Oder gedeiht uns doch in hohen Sphären<br />
Noch Rückkehr zu den ewigen Reigen-Tänzen?</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/an-den-leutnant-f-h-s" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="An den Leutnant F. H. S." class="rdf-meta element-hidden"></span>Thu, 01 Oct 2015 22:00:01 +0000akessler1367 at https://www.textarchiv.comVerwandlung
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/verwandlung
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Waldinneres, wo von dem felsigen Stein<br />
Das dunkle Wasser rauschend niederfällt!<br />
Der Wolke drohend Schweben gibt allein<br />
Noch Kunde vom bewegten Himmelszelt.</p>
<p>Der starken Bäume Festigkeit ist müd.<br />
Weicht nicht der Boden und beginnt der Traum?<br />
Die frische Gegenwart ist schon verglüht,<br />
Und Sterben öffnet leise seinen Raum.</p>
<p>Die schweigenden und oft gebrochenen Herzen<br />
Ziehen im Abschied wiederum hinab.<br />
Und eine Weile brennen kleine Kerzen<br />
Dem eingeweihten, schattenhaften Grab.</p>
<p>Erschrecken und ein Sinken ohne Halt --<br />
Dann fangen dunkle Stimmen an zu grüßen.<br />
Von neuem ist ein alt bekannter Wald<br />
Dir aufgetan zu Häupten und zu Füßen.</p>
<p>Die Quellen springen, und ein frisch Gedeihn<br />
Ist sanft und lieblich um das Wiederkehren,<br />
Es kommt zurück das freundliche Verzeihn,<br />
Das ausgestoßen war von hundert Speeren.</p>
<p>Und wiederum sollst du den Weg beginnen,<br />
Indes die Wolken ziehn ob deinem Haupt,<br />
Und wenn die Stunden rätselvoll verrinnen,<br />
Sollst du nicht wissen, was sie dir geraubt.</p>
<p>Hindere mich nicht, daß ich dir einmal sage,<br />
Wie sehr ich unter der Verwandlung leide,<br />
Und hör es nicht als eine kranke Klage,<br />
Noch dies sei hart Geheimnis für uns beide.</p>
<p>Dann mag auf Wogen uns ein Sturm umnachten,<br />
Oder es komme Süßigkeit der Gärten:<br />
Wir wissen, welches Opfer wir einst brachten,<br />
Eh wir erwarben unsere großen Härten.</p>
<p>Und nun: wir müssen immer davon schweigen,<br />
Da wir zu Schaffenden uns selbst bestimmt,<br />
Wir dürfen uns und jenen nie mehr zeigen,<br />
Wie sehr wir wissen, daß sie schnöde sind.</p>
<p>Der große Baum im ruhenden Gefilde,<br />
Das dunkle Grün des Laubes in der Schlucht,<br />
Der Felsen dicht bewachsene Gebilde,<br />
Das ferne Grollen: der Gefühle Flucht . . . .</p>
<p>Hier ist ein Eingang zu den Unterwelten,<br />
Hier haben Wanderer sich oft verirrt.<br />
Wenn einst durch Träume ferne Laute gellten,<br />
Erahnten sie, was nun aus ihnen wird.</p>
<p>Das Wasser des Vergessens kam gezogen,<br />
Sie wußten nicht mehr recht, wie das geschah.<br />
Im Steigen der von Träumen bleichen Wogen<br />
War Fremde sich und Heimkehr traurig nah.</p>
<p>Ich möchte immer Traurigeres künden,<br />
Das überstiege des Vergessens Flut:<br />
So laßt uns einen Scheiterhaufen zünden<br />
Dem Sterben, das auf allem Leben ruht.</p>
<p>Nicht eher darf der Lebende gesunden,<br />
Als nicht der letzte Abschiedsgruß verbrannt,<br />
Und unreif haben jene überwunden,<br />
Die nicht die letzte Stunde ganz gekannt.</p>
<p>Was nicht gestorben ist, kann nicht erstehn:<br />
O Feuer, kämpfe lange mit dem Wind!<br />
Zu Asche wirst du früh genug vergehn,<br />
Schon in der Mittagsonne Staub und blind.</p>
<p>Es werden wieder duftige Morgen kommen,<br />
Entzückende, mit Tau im süßen Haar,<br />
Du wirst nicht wissen, was dir weggenommen,<br />
Nicht fühlen mehr, was einst lebendig war.</p>
<p>Und an den frischen Bäumen wirst du lehnen,<br />
Noch träumerisch von dem, was dir entschwand.<br />
Leise erfreut und ohne alles Sehnen<br />
Glänzt um dich her das morgendliche Land.</p>
<p>Wo klar die Berge zu den Wolken steigen,<br />
Sind auch die neuen Menschenlaute wach:<br />
Du spürst, wie sich die Bäume heimlich neigen,<br />
Und eilst zu dem beglückten, kleinen Bach.</p>
<p>Da zur Versöhnung uns die Reife fehlt,<br />
Das Bleiben aber hindert jeden Fluch,<br />
Da, was das Herz geschlagen und gequält,<br />
Sich dennoch hebt zu neuestem Versuch,</p>
<p>Da wir vom Tor der Unterwelten kehren,<br />
Verändert, dennoch gleich, ins alte Haus,<br />
Und unser Unreifsein nicht weiß zu wehren<br />
Dem, was uns neu beherrscht tagein tagaus:</p>
<p>So will ich einmal doch gebeichtet haben,<br />
Daß niemals wir zutiefst gestorben sind,<br />
Wir nahmen nur der Tröstung kleine Gaben,<br />
Nie auferstanden mit dem Morgenwind.</p>
<p>Und also bleibt armseliges Verhallen<br />
Von Freude, Schmerz und Liebe unser Teil,<br />
Bis nicht ein gnädiger Vater über allen<br />
Uns liebreich wieder leitet zu dem Heil.</p>
<p>So sind wir fern dem seligen Erneun,<br />
Den Himmelsfrüchten und dem heiligen Lenze,<br />
Und unser bestes Tun sei noch das Freun<br />
Des stolzen Schaffens mit der harten Grenze.</p>
<p>Und wird auch solches Dasein untergehen<br />
Wie vieles Sterben ohne letzten Tod:<br />
Es lehre doch das späte Auferstehen,<br />
Die Reife und das große Morgenrot.</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/verwandlung" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Verwandlung" class="rdf-meta element-hidden"></span>Wed, 30 Sep 2015 22:00:02 +0000akessler1369 at https://www.textarchiv.comSchatten
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/schatten
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Höhnen auch Narren<br />
Zwecklosen Traum,<br />
Müssen verharren<br />
Am dunklen Baum.</p>
<p>Äste gesenket --<br />
Gilt kein Vorbei,<br />
Eh nicht geschenket<br />
Blüten der Mai.</p>
<p>Steigen die Sommer<br />
Immer aus Tod:<br />
Ehret ein Frommer<br />
Solches Gebot.</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/schatten" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Schatten" class="rdf-meta element-hidden"></span>Mon, 21 Sep 2015 22:00:01 +0000akessler1365 at https://www.textarchiv.comEingang
https://www.textarchiv.com/ernst-blass/eingang
<div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Was dir genommen auch ward, o suche nicht über die Erde!<br />
Nimmer findet so deine Sehnsucht das Gut.<br />
Wehre dem Troste nicht, ihn schickt der mächtige Herrscher<br />
Aus dem Himmel herab, beuge dich Seinem Befehl!<br />
Aber wandte sich nicht der göttlichen Mutter Demeter<br />
Grenzenloser Schmerz? Kam nicht die Tochter zurück?<br />
Geht nach dunkler Gewalt des abgestorbenen Jahres<br />
Kore nicht aufs neu jedem Tode hervor?</p>
<p>Fühle, die Nächte des Landes sind von Gestorbenen bewohnet,<br />
Ob auch der menschliche Sinn sich noch ihr Dasein verbirgt,<br />
Ob er auch Hunderte Tage gewaltsamer Wache ertrage,<br />
Schattenhafte bevölkern ringsum die Sommernacht.<br />
Sind die grünen Wälder von bleicherem Schein überflogen,<br />
Ist es Schimmer des Monds, der sie wie immer besucht,<br />
Und vom rauchenden Tod die erlösten und leisen Gestalten<br />
Wandeln entseelt und verkannt nun in Berg und in Tal.</p>
<p>Vorsprünge wissen von ihnen, es weiß von ihnen der Abgrund,<br />
Der in den Tiefen des Walds sich ihren Spielen vereint.<br />
Hohl, ohne Blick und seltsam, so mischt sich ihr Wesen der lieben,<br />
Ihr, der erfüllten Nacht, die sie gastlich umschließt,<br />
Die in heiligem Rauschen verlorene Scharen vollendet<br />
Und, die durch Tod befreit, mächtig doppelt erlöst:<br />
Auch das Leere, das Graun im Ewigen einst zu verwandeln,<br />
Wenn wieder himmlische Sonne brennt im starken Azur.</p>
<p>Todes einziges Wesen ist auf die Männer gesenket,<br />
Die in freudigem Lauf fielen oder verstört,<br />
Die im warmen Empor zum großen Dunkel gestürzet,<br />
Und die, irr und gequält, Tod der Erlösende nahm.<br />
Ach, zog er sie denn nicht in seine milderen Räume,<br />
Wo verblendend kein Licht auf die Leidenden fällt?<br />
Wenn verklingender Tag ein seltenes Schweigen bereitet,<br />
Fühlt das schlagende Herz seine Beruhigung vor.</p>
<p>Aber in Wildnis verstrickt und von Gewalt überfallen,<br />
Trifft der sterbliche Mensch jäh das klaffende Mal,<br />
Da ihn das Leben verläßt, das traute, innig gesellte,<br />
Und in neues Gefühl stürzt er blindlings hinab.<br />
Wolken kreisten ihm noch, noch trug ihn tapferes Wissen,<br />
Doch die endliche Kraft kam zu tödlichem Fall.<br />
Und im lichtlosen Reich, das dauernder Nebel durchwaltet,<br />
Ist er, schwebend und leer, eine fremde Gestalt.</p>
<p>Nun auf dämmriger Höh erheben leise die Klagen<br />
Ihrer Stimme Getön, ihre zarte Gewalt,<br />
Und umschattet von Qual, von unendlichem Weh überwältigt,<br />
Irrt der eigene Klang ins verlassene Tal.<br />
Schleier senkt sich herab, es währt die Nacht bis zum Morgen,<br />
Wo das reinere Licht um Verlorenes weint,<br />
Und von Tränen benetzt der selige Glaube emporkeimt,<br />
Daß vom schmerzlichen Strand einst der Vater dich ruft.</p>
</div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/ernst-blass" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Ernst Blass</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1918</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/ernst-blass/eingang" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Eingang" class="rdf-meta element-hidden"></span>Sat, 12 Sep 2015 18:20:41 +0000akessler1364 at https://www.textarchiv.com