Textarchiv - Clemens Brentano https://www.textarchiv.com/clemens-brentano Deutscher Schriftsteller. Geboren am 9. September 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). Gestorben am 28. Juli 1842 in Aschaffenburg. de Liebster Hirte, denkst du nicht https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/liebster-hirte-denkst-du-nicht <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Liebster Hirte, denkst du nicht<br /> An die teure Liebespflicht?<br /> Hast du doch mit tausend Wunden<br /> Meiner Seele dich verbunden!</p> <p>Weißt du wohl, daß deine Pein<br /> Uns Erlösung sollte sein?<br /> Und wie muß ich denn auf Erden<br /> Noch so lang geprüfet werden!</p> <p>Bin ich dir als eine Braut<br /> Durch den Ring schon angetraut,<br /> Warum läßt du meine Seele<br /> In des Leibes Trauerhöhle?</p> <p>Uns zu Lieb&#039; hast du gestritten,<br /> Uns zu Lieb&#039; den Tod erlitten;<br /> Dich seh&#039; ich in jedem Armen,<br /> Und das mehret mein Erbarmen.</p> <p>Wenn ich diese Wunden pflege<br /> Und den Balsam in sie lege,<br /> Seh&#039; ich deine Wunden glühn,<br /> Die wie Rosen mir erblühn.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/liebster-hirte-denkst-du-nicht" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Liebster Hirte, denkst du nicht" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 07 Sep 2016 22:00:06 +0000 mrbot 3141 at https://www.textarchiv.com Komm heraus, komm heraus https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/komm-heraus-komm-heraus <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Komm heraus, komm heraus, du schöne schöne Braut,<br /> Deine guten Tage sind nun alle, alle aus.<br /> Deine Jungfraun läßt du stehn,<br /> Willst nun zu den Weibern gehn.</p> <p>Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,<br /> Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.</p> <p>Lege ab, lege ab auf ew&#039;ge, ew&#039;ge Zeit<br /> Schild und Schwert und Panzer, deine Waffen, dein Geschmeid.<br /> Aus dem Helm ins Haubelein<br /> Schließest du die Locken ein.</p> <p>Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,<br /> Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.</p> <p>Lache nur, lache nur, die roten, roten Schuh<br /> Werden dich einst drücken, sie sind eng genug dazu,<br /> Wenn wir zu dem Tanze gehn,<br /> Wirst du bei der Wiege stehn.</p> <p>Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,<br /> Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.</p> <p>Winke nur, winke nur, sind nur leichte leichte Wink&#039;,<br /> Bis du an dem Finger trägst den goldnen Sklavenring,<br /> Goldne Ketten legst du an,<br /> Und beschwerlich wird die Bahn!</p> <p>Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,<br /> Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.</p> <p>Tanze nur, tanze nur deinen letzten letzten Tanz,<br /> In der Sonne welket bald dein schöner Hochzeitskranz.<br /> Lasse nur die Blumen stehn,<br /> Auf den Acker mußt du gehn.</p> <p>Dein Schleierlein weht, dein Schleierlein weht,<br /> Die Tränen des Taues, die weinest du zu spät.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/komm-heraus-komm-heraus" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Komm heraus, komm heraus" class="rdf-meta element-hidden"></span> Wed, 07 Sep 2016 22:00:06 +0000 mrbot 3127 at https://www.textarchiv.com Das Mosel-Eisgangs-Lied https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/das-mosel-eisgangs-lied <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Geh betteln armes Lied,<br /> Geh um von Tür zu Tür,<br /> Sprich: Diesem Haus sei Fried&#039;!<br /> Daß Gott die Herzen rühr&#039;.<br /> Er war so stark und mild,<br /> Drum sang das Mitleid mich;<br /> Du Mensch, sein Ebenbild,<br /> Du auch erbarme dich.<br /> Kauf mich, so wird ein Stein,<br /> Der an der Hütte baut,<br /> Dem milden Fraunverein<br /> Zu Koblenz anvertraut.</p> <p>1.</p> <p>Es lief im engen Tal<br /> Am armen Dorfe Lay<br /> Viel hunderttausendmal<br /> Die Mosel fromm vorbei,<br /> Wie Gott den Weg gezeigt:<br /> Links steile Rebenwand,<br /> Rechts Flur, bequem geneigt,<br /> Dann Lay, dann Felsenstrand.<br /> Stromauf am Dorf zuletzt<br /> Nächst manchem Nachbardach<br /> Steht, fluthoch ausgesetzt,<br /> Ein Hüttchen schlecht und schwach.</p> <p>2.</p> <p>Da lebt ein Vater arm<br /> Vom Tagelohn mit Not<br /> So hin, daß Gott erbarm&#039;!<br /> Viel Kinder, wenig Brot.<br /> Sechs Wochen sind&#039;s, da bracht&#039;<br /> Sein Weib das neunt&#039; zur Welt,<br /> Kalt, kalt! hat nicht gelacht,<br /> Der Tod bestellt sein Feld.<br /> Am Taufstein klirrt das Eis,<br /> Da man das Kindlein tauft,<br /> Gott es zu finden weiß,<br /> Von Jesu Blut erkauft.</p> <p>3.</p> <p>Vom Mutterschoß zum Schoß,<br /> Von Mutterbrust zur Brust<br /> Der kalten Erde, bloß<br /> Und nackt, hat&#039;s heim gemußt.<br /> Der Kirchhof ist so hart,<br /> Die Leichen deckt nur Schnee;<br /> Man denkt: da eingescharrt<br /> Es grün sich aufersteh&#039;!<br /> Ein Kreuzlein steht beim Grab,<br /> Daß es kein Wolf berührt;<br /> Es heißt, die Schildwach hab&#039;<br /> Bei Koblenz ihn gespürt.</p> <p>4.</p> <p>Er hungert, heult herum,<br /> Das Tal ist tot und eng,<br /> Das Echo taub und stumm,<br /> Die Bergwand steil und streng.<br /> Der Winter ist so kalt,<br /> So stark das Moseleis,<br /> Wie keiner, noch so alt,<br /> Sich zu erinnern weiß.<br /> »Ach Gott im Himmelreich,<br /> Halt uns in Deiner Hut,<br /> Wird schnell das Wetter weich,<br /> Geht&#039;s heuer uns nicht gut.</p> <p>5.</p> <p>Man sieht&#039;s der Mosel an,<br /> An ihrer Quelle steht<br /> Ein Berg, heißt Wetterhahn,<br /> Sie tut, wie der ihr kräht.<br /> Die Meurth&#039;, die Orn&#039;, die Saur,<br /> Die Saar und dann die Kyll<br /> Stehn all ihr auf der Laur,<br /> Sie kann nicht, wie sie will.<br /> Im Schlangenbett gestemmt<br /> Muß sie doch los zuletzt,<br /> Aus jeder Schlucht ja kömmt<br /> Ein Hündlein, das sie hetzt.</p> <p>6.</p> <p>Zu Trier von Sankt Mattheis<br /> Heißt&#039;s: Mattheis bricht das Eis,<br /> Und findet Mattheis keins,<br /> So macht uns Mattheis eins.<br /> Dies Jahr macht er es nicht,<br /> Wenn er nur fein drauf sieht<br /> Daß es zu früh nicht bricht,<br /> Ich trau&#039; nicht mehr dem Fried&#039;;<br /> Mir ist&#039;s, als hört&#039; ich schon,<br /> Sind&#039;s gleich noch vierzehn Tag&#039;,<br /> Die Mattheisprozession<br /> Voll Jammer und voll Klag&#039;.« –</p> <p>7.</p> <p>Schon weht ein lauer Wind,<br /> Die Raben ziehn ins Feld.<br /> Zur Sonne Mann und Kind<br /> Sich vor die Hütte stellt.<br /> Es tröpfelt schon das Dach,<br /> Noch steht der Rhein wie Stein,<br /> Die Mosel geht schon schwach,<br /> Weiß nicht wo aus und ein:<br /> »Schnell Hannes, guter Sohn,<br /> Die Kuh führ&#039; hoch ins Ort,<br /> Es schwillt das Wasser schon.«<br /> Der Knabe eilet fort.</p> <p>8.</p> <p>Bang brüllt das treue Tier,<br /> Die Wogen sausen laut,<br /> Der Knabe kehret schier,<br /> Ringsum er Wasser schaut,<br /> Steigt in ein stärkres Haus,<br /> Wo auch die Nachbarn sind,<br /> Und ruft zum Vater aus:<br /> »Ich bleib&#039; bis ab es rinnt!«<br /> Die Flut steigt, horch, ein Krach!<br /> Es klirren Ziegel ab,<br /> Der Vater schaut durchs Dach,<br /> Sieht rings ein Wassergrab.</p> <p>9.</p> <p>Mann, Weib und sieben Kind,<br /> Seht, achtzehn Hände arm<br /> Emporgestrecket sind:<br /> »Helft, helft, daß Gott erbarm&#039;!«<br /> Es hebet sich das Eis,<br /> Es wälzt und braust heran,<br /> Knickt Bäume wie ein Reis,<br /> Zerschmettert Schiff und Kahn;<br /> Hilf Gott! Weh! Angst und Not!<br /> Die Hütte hebt sich schon,<br /> Rings tobt der grimme Tod:<br /> Das hört, das sieht der Sohn.</p> <p>10.</p> <p>Vom Nachbardache schallt<br /> Ein ernster Christenchor:<br /> »Nur Gott hat hier Gewalt,<br /> Zu dem nur schrei empor.<br /> Jesu, der helfen kann,<br /> Dich, Weib und Kind befehl&#039;,<br /> Du bist des Todes, Mann,<br /> Denk deiner armen Seel&#039;.<br /> Adies, o Nachbar gut!<br /> Du mußt zu Grunde gehn,<br /> Es kommt das Eis mit Wut,<br /> Auf dich ist&#039;s abgesehn.« –</p> <p>11.</p> <p>Der Sohn tut einen Schrei,<br /> Der Vater zu ihm spricht:<br /> »Mit uns ist&#039;s nun vorbei,<br /> Der Herr geht ins Gericht.<br /> Du warst ein frommer Sohn,<br /> O Hannes! all dein Tag,<br /> Halt, was vor Gottes Thron<br /> So nah, ich sterbend sag&#039;.<br /> Vor allem hoch allein<br /> Lieb deinen Gott und Herrn,<br /> Und dann den Nächsten dein,<br /> Arbeit&#039; und helfe gern.</p> <p>12.</p> <p>Den Priester ehre hoch,<br /> Folg treu der Obrigkeit,<br /> Dank Gott für leichtes Joch<br /> In einer schweren Zeit.<br /> An Vater, Mutter denk:<br /> Und die Geschwister dein,<br /> Manch Vaterunser schenk<br /> Ins Eisgrab uns hinein.<br /> Halt unser Kühchen gut,<br /> Es bringt dir seinen Lohn,<br /> Adies, mein Fleisch und Blut!« –<br /> Da segnet er den Sohn.</p> <p>13.</p> <p>Hell schreit die Mutter Weh!<br /> Hell schrein die Kinder auf,<br /> Der starre Wogensee<br /> Frißt ihre Stimmen auf.<br /> Nun beten Mann und Weib<br /> Und Kinder, Herz an Herz,<br /> Ein angstbeseelter Leib,<br /> Viel Hände himmelwärts:<br /> »Ach Herr Dein Will&#039; gescheh&#039;,<br /> Herr hab&#039; mit uns Geduld!<br /> Auf Jesu Wunden seh&#039;,<br /> Und nicht auf unsre Schuld!« –</p> <p>14.</p> <p>Die Eisflut saust und kracht,<br /> Das Haus schwankt wie ein Kahn,<br /> Und weh! schon zieht die Nacht<br /> Und kalt der Mond heran.<br /> Die Nachbarn sehn nicht mehr<br /> Das eisumtürmte Haus,<br /> Von Trümmern, Bäumen schwer<br /> Sieht kaum das Dach heraus.<br /> Hierher geht all der Drang,<br /> Dort schreit es, hier wird&#039;s stumm,<br /> Von hier dem Strand entlang<br /> Wirft&#039;s Haus und Hütte um.</p> <p>15.</p> <p>Hier reißet hin, dort sprießt<br /> Das starre Wogengrab,<br /> Und auch den Nachbarn schließt<br /> Es alle Zuflucht ab.<br /> Ist Mosel dies dein Dank?<br /> Des Rheins berauschte Braut<br /> Zerschlägst du Tisch und Bank<br /> Dem, der den Wein dir baut.<br /> Weh Lay, mühselig Lay!<br /> Dich hat sie in der Hand,<br /> Bricht Haus und Hof entzwei<br /> Und streut dich auf den Strand.</p> <p>16.</p> <p>Dein Pfarrer hilft voll Mut,<br /> Flieht dann zum Haus hinauf<br /> Und schließt, so folgt die Flut,<br /> Es unterm Wasser auf.<br /> Breitbach! es bricht dein Kahn,<br /> Der Retter merkt es kaum,<br /> Da hebt ihn Gott hinan<br /> Auf einen Pflaumenbaum.<br /> Die Flut steigt zu ihm hin,<br /> Und sieh! zu sicherm Ort<br /> Schwingt bald sein Engel ihn<br /> Von Scholl&#039; zu Scholle fort.<br /> Bonkirch von Diebelich!<br /> Oft dringst du durch die Flut,<br /> Wagst dich christbrüderlich<br /> Für unser Gut und Blut.<br /> Du frommer Fuhrmann hast<br /> Dir heut das nicht gedacht,<br /> Du kömmst zu uns als Gast<br /> Und holst dir Gottes Fracht.<br /> Gevatter! manches Kind<br /> Hebst du aus Todes Tauf&#039;,<br /> All ihre Engel sind<br /> Vor Gott und schreiben&#039;s auf.</p> <p>18.</p> <p>Der Mond mit bleichem Schein<br /> Sieht in die Jammernacht,<br /> Noch steht der starre Rhein<br /> Und Haus und Schiff erkracht.<br /> Die Mosel drängt sich auf,<br /> Eis wild auf Eis sie türmt,<br /> Als ob um Todeskauf<br /> Verzweiflung Notwehr stürmt.<br /> Vom Brückengurt geschnürt<br /> Wächst noch ihr Ungestüm,<br /> Der Rhein steht ungerührt<br /> Und horcht auf ihren Grimm.</p> <p>19.</p> <p>Sie ruft: »Entfeßle mich!<br /> Ich türme Schanz auf Schanz,<br /> Sieh, zürnend schaut auf dich<br /> Der steilen Festen Kranz.<br /> Ich habe jüngst gehört,<br /> Bis in das Meer sei frei,<br /> Das ist was mich empört:<br /> Brich auf, laß mich vorbei!« –<br /> Wild ob dem Widerstand<br /> Nimmt rheinauf sie den Lauf,<br /> Wirft auf des Ufers Rand<br /> Haushoch die Blöcke auf.</p> <p>20.</p> <p>»O Rhein! erbarme dich,<br /> Ist deine Brust von Erz?<br /> Brich, harter Nacken, brich,<br /> Die Braut muß an dein Herz.<br /> All die Kranzjungfräulein<br /> Die Meurth&#039;, die Saar, die Kyll<br /> Sie toben auf mich ein,<br /> Die das, die jenes will,<br /> Die rechts bald gehn bald stehn,<br /> Sie sind nicht einig ganz,<br /> Die links vor Grimm vergehn,<br /> Und wollen an den Tanz.</p> <p>21.</p> <p>Die Thran, die Elz schon stürmt<br /> Am Eisdamm hoch hinan<br /> Um Neuendorf getürmt;<br /> Rhein! sieh den Jammer an.<br /> Bedenk, hinab hinauf,<br /> Mit Kehr und Wiederkehr,<br /> Ging ich von Jugend auf<br /> Im Schlangenbett zur Lehr&#039;.<br /> Du schweigst? die Schuld ist dein!« –<br /> Scheu blickt sie um im Kreis,<br /> Rast in sich selbst hinein,<br /> Weh Gülz dir! weh dir Weis!</p> <p>22.</p> <p>»Du schweigst, hemmst meinen Lauf<br /> Bis alles hingerafft!« –<br /> So schreit die Mosel auf<br /> In banger Leidenschaft.<br /> »Ich kenne« – murrt sie hohl –<br /> »Den Schlüssel deiner Brust,<br /> Ein Opfer find&#039; ich wohl,<br /> Dann weiß ich, daß du mußt.« –<br /> »Weh!‹ schreit vom Eisesdamm<br /> Die Thran und Elz ihr zu:<br /> »In Lay würgst du das Lamm,<br /> Vogesenwölfin du!« –</p> <p>23.</p> <p>Nach Lay kehrt nun ihr Lauf,<br /> Bricht in ein Hüttchen ein,<br /> Die Eltern fliehn treppauf<br /> Mit den zwei Töchterlein.<br /> Der Vater flutbedrängt<br /> Auf Bett und Faß sich stellt,<br /> Am Hals das Weib ihm hängt,<br /> Sein Arm die Kinder hält,<br /> Sein Haupt am Dach schon streift,<br /> Zur Brust die Flut ihm springt,<br /> Die nach dem jüngsten greift<br /> Und ihm sein Kind verschlingt.</p> <p>24.</p> <p>Er steht, hält Kind und Weib,<br /> Ach, und kann helfen nicht!<br /> Steht, wie ein Martyrleib,<br /> Dem man das Herz ausbricht.<br /> Dann hebet sich das Haus,<br /> Schwimmt wohl zehn Schritte weit,<br /> Und steht. O Nacht voll Graus!<br /> Nacht die zum Himmel schreit!<br /> Als deine Flut abrinnt,<br /> Kömmt eine Tränenflut,<br /> Weckt nicht das liebste Kind,<br /> Das tot am Boden ruht.</p> <p>25.</p> <p>Da klagen Meurth&#039; und Saar:<br /> »Weh, Lotharingerin!<br /> Weh, daß ich mit dir war!<br /> Du Kindesmörderin!« –<br /> Die hört&#039;s und wendet sich<br /> Nochmals zum Rhein mit Wut,<br /> Schreit: »Weh! auf dich, auf dich<br /> Komm das unschuld&#039;ge Blut!« –<br /> Sie bäumt sich, stürmt ans Tor:<br /> »Tu auf! noch heut, noch heut!« –<br /> Und an des Rheines Ohr<br /> Schlägt Sturm und Notgeläut.</p> <p>26.</p> <p>Da seufzt der alte Rhein:<br /> »Nun hör&#039; ich andern Ton,<br /> Dein Toben und dein Schrein<br /> Klang mir wie blanker Hohn.<br /> Sitzt doch wie ich so starr,<br /> So leichtsinnig wie du,<br /> Noch mancher Fastnachtsnarr<br /> Bei deinem Wein in Ruh&#039;.<br /> Gleich dir so klagt sein Weib,<br /> Er sitzt in Saus und Braus,<br /> Die Herrn nach Haus erst treib&#039;,<br /> Und dann komm selbst nach Haus!« –</p> <p>27.</p> <p>Die Mosel hört beschämt<br /> Des Rheins gerechtes Wort,<br /> Und stürmet ungezähmt,<br /> Schwemmt all die Toren fort.<br /> Und wasserscheu, weinsatt,<br /> Wird mancher heimgekahnt,<br /> Die Flut ersteigt die Stadt<br /> Von Mauern eingezahnt.<br /> Sankt Castor! brich den Weg!<br /> Sankt Ritza! fleh zum Rhein!<br /> Er liebt dich, war ein Steg<br /> Ja einst den Füßen dein.</p> <p>28.</p> <p>Am Hospital zur Flut<br /> Spricht Sankt Elisabeth:<br /> »Kehr&#039; um, es geh&#039; dir gut!<br /> Frei haben wir kein Bett.« –<br /> Da plätschert&#039;s an der Schwell:<br /> »Von Nancy ging ich aus,<br /> Bin eine Meurthewell,<br /> Ein Gruß vom Mutterhaus!« –<br /> »Und ich von Finsting komm&#039;,<br /> Ein Wellchen aus der Saar,<br /> Gut Zeit! ihr Schwestern fromm,<br /> s&#039;ist nur, daß da ich war.« –</p> <p>29.</p> <p>Noch stürmt das Eis am Strand<br /> Rings um die Mauern keck,<br /> Da steigt zur Eisblockwand<br /> Die Mosel am Deutsch-Eck,<br /> Und klagt: »Ein Mägdlein rot,<br /> O Rhein, starb mir im Schoß!« –<br /> Da jammert ihn die Not,<br /> Er macht die Riegel los,<br /> Er senkt sein blankes Schild<br /> Und nimmt die Mosel auf,<br /> Das kühne Heldenbild<br /> Braust ihm ans Herz hinauf.</p> <p>30.</p> <p>Der Brücke Gurt erbebt,<br /> Ein Brautschmuck in dem Tanz,<br /> Sie rast, sie stürmt, sie schwebt,<br /> Und blitzt im Mondesglanz.<br /> Die Fesseln, das Geschmeid<br /> Streut sie im Feld umher,<br /> Nie war ihr Winterkleid<br /> So kalt, so blank, so schwer.<br /> Die Fastnacht hat vorm Jahr<br /> Rhein, Mosel hier vermählt,<br /> Heut hat das Riesenpaar<br /> Den Tanzplatz sich erwählt.</p> <p>31.</p> <p>Stumm hat mit ehrnem Mund<br /> Die Festung, mißgelaunt,<br /> Eisschanzend in die Rund<br /> Ihr Stürmen angestaunt;<br /> Nun donnert das Geschütz<br /> Vorrollend vor der Flut;<br /> Daß Mühl&#039; und Schiff man schütz&#039;,<br /> Flammt Pech- und Fackelglut.<br /> Die Ufer schimmern weit,<br /> Ein Feur- und Glutspalier,<br /> Not, Jammer, Angst und Streit<br /> Gab Pracht der Nacht und Zier.</p> <p>32.</p> <p>Das Weh, das all geschah,<br /> Deckt schier die Mitternacht,<br /> Als rettend niedersah<br /> Der Herr, der ob uns wacht,<br /> Als rings sich Dankgeschrei<br /> Aus Angst und Not erhob;<br /> Im Nachbarhaus zu Lay<br /> Erklang auch Dank und Lob,<br /> Und mit dem Hannes arm<br /> Flehn alle brünstiglich:<br /> »Ach Herr und Gott erbarm&#039;<br /> Der Eltern Seele dich!«</p> <p>33.</p> <p>Und stiller wird&#039;s Gebraus:<br /> »Horch, horch, hörst du den Schrei?<br /> Ach Jesus, dort vom Haus,<br /> Als ob&#039;s der Vater sei?« –<br /> »Gelobt sei Jesus Christ!« –<br /> »In alle Ewigkeit!« –<br /> »Amen.« – »Es ist, es ist<br /> Die Mutter, die so schreit!« –<br /> »Helft, helft wie naß und kalt!« –<br /> »Das ist der Kinder Stimm&#039;.« –<br /> »Auf! Nachbarn braucht Gewalt!<br /> Auf! Hannes schwimm&#039; und klimm&#039;!«</p> <p>34.</p> <p>Sie brechen eine Bahn<br /> Durch Eis und Trümmer kraus,<br /> Und klettern kühn hinan<br /> Ins gottumschirmte Haus,<br /> Und ziehen einen Schatz<br /> Von Jesu Treu hervor:<br /> »Der Vater ist&#039;s, macht Platz,<br /> Die Mutter zieht empor,<br /> Und lebend Kind vor Kind«:<br /> Wo drei zum Vater mein<br /> Vereint im Beten sind<br /> Will ich bei ihnen sein. –</p> <p>35.</p> <p>Wer klimmt herab vom Wald<br /> Mit seinem Bündelein?<br /> So klar, ich meinte bald<br /> Es könnt&#039; ein Engel sein.<br /> Vielleicht ein frommes Kind,<br /> Das Holz den Eltern schleift,<br /> Das Wetter ist ganz lind,<br /> Doch scheint sein Haar bereift.<br /> Es ist der junge Tag,<br /> Tritt scheu ins Dorf hinein,<br /> Schaut um, als ob er frag&#039;:<br /> Wer kauft hier Sonnenschein?</p> <p>36.</p> <p>»Sagt, bin ich recht? ist&#039;s Lay?<br /> Ich ruf&#039;: Wo sein die Leut&#039;?<br /> Mich grüßt nur Wehgeschrei<br /> Aus Trümmern wild zerstreut.<br /> Auch fehlt ein Töchterlein,<br /> Heut nickt es mir nicht zu<br /> Durch das Eisfensterlein,<br /> Heut hält es lange Ruh&#039;!« –<br /> Da rief der Mond ganz krank:<br /> »Suchst du das Mägdlein rot?<br /> Schau von dem Eisblock blank<br /> Ins Stübchen, drin liegt&#039;s tot.</p> <p>37.</p> <p>Ich hab&#039; mich krank und bleich<br /> Bei ihm verweint, verwacht,<br /> Es ist &#039;ne schöne Leich,<br /> Den Sarg hat Gott gemacht.<br /> Ist wie Krystall so weiß,<br /> Vom Kreuze an der Wand<br /> Fiel auch ein Palmenreis,<br /> Liegt bei des Kindes Hand<br /> Und sein Gebetbüchlein<br /> Liegt auch nicht gar zu fern,<br /> Lang las ich drin allein,<br /> Gab&#039;s dann dem Morgenstern.« –</p> <p>38.</p> <p>Da sah der junge Tag<br /> Hinein ins Kämmerlein,<br /> Gar lieb das Mägdlein lag<br /> Im ersten Sonnenschein.<br /> »s&#039;ist alles was ich hab&#039;,<br /> Wart nur noch Wochen vier,<br /> Dann auf ein grünes Grab<br /> Bring ich die Veilchen dir.« –<br /> Dann schleicht er still aufs Haus,<br /> Das eisgestützt draus steht,<br /> Und kniet und weint sich aus,<br /> Und singt sein Frühgebet.</p> <p>39.</p> <p>»Lob Gott du Wassersnot,<br /> Lob Gott du Eisgang wild,<br /> Ein Schwert auf sein Gebot,<br /> Auf sein Gebot ein Schild.<br /> Lob Gott du armes Haus,<br /> Lob Gott du Mann und Kind,<br /> Er hört in Flutgebraus<br /> Die zu ihm betend sind.<br /> Lob Gott du armes Lay,<br /> Lobt Gott ihr Trümmer kraus,<br /> Er bricht das Haus entzwei,<br /> Und bauet auch das Haus.« –</p> <p>40.</p> <p>Der Tag zog heim ins Land,<br /> Da stieg ein Freund nach Lay<br /> Herab die steile Wand:<br /> Weh welche Wüstenei!<br /> Da füllt manch starre Hand,<br /> Der nichts mehr übrig blieb<br /> Als Trümmer an dem Strand,<br /> Die Hand, die dann mir schrieb:<br /> »Ich sah draus ungeschützt<br /> Das Haus weit ausgesetzt,<br /> Gebrochen, eisgestützt<br /> Hielt Gott es bis zuletzt.</p> <p>41.</p> <p>Ich sah den guten Mann<br /> Und mit ihm Weib und Kind,<br /> Er zählt sie, schaut sie an,<br /> Ob all beisammen sind.<br /> Im Rathaus einquartiert<br /> Geht selig er umher,<br /> Und weint und triumphiert,<br /> Als ob er Kaiser wär&#039;.<br /> ›Sagt, Freund, wie wunderlich,<br /> Wie ging&#039;s dann nur?‹ – ›Ei seht,<br /> Mein Weib, die Kinder, ich,<br /> Wir haben halt gebet&#039;t‹ –</p> <p>42.</p> <p>Und wer es nicht gesehn,<br /> Wer schüttelt mit dem Haupt,<br /> Wer&#039;s nicht will zugestehn,<br /> Wer ans Gebet nicht glaubt:<br /> Der gehe stolz nach Lay<br /> Und seh&#039; die Hütte an,<br /> Und rufe frank und frei:<br /> Nur Gott hat dies getan!<br /> Und dann ans Herz er poch&#039;,<br /> Vielleicht sein Herzenseis<br /> Schmilzt vor dem Eise noch<br /> Zu Lay. Glück auf die Reis&#039;!« –</p> <p>43.</p> <p>Geh betteln armes Lied,<br /> Geh um von Tür zu Tür,<br /> Sprich: »Diesem Haus sei Fried&#039;!<br /> Daß Gott die Herzen rühr&#039;.<br /> Er war so stark und mild,<br /> Drum sang das Mitleid mich;<br /> Du Mensch, sein Ebenbild,<br /> Du auch erbarme dich.<br /> Kauf mich, so wird ein Stein,<br /> Der an der Hütte baut,<br /> Dem milden Fraunverein<br /> Zu Koblenz anvertraut.«</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/das-mosel-eisgangs-lied" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Das Mosel-Eisgangs-Lied" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3425 at https://www.textarchiv.com 14.–15. April 1834 https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/14-15-april-1834 <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Vogel halte, laß dich fragen<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Hast du&#039;s in dein Nest getragen,<br /> Ei dein Glück, ei sage wen?</p> <p>Eine feine zarte Rebe<br /> Und zwei Träublein Feuerwein<br /> Drüber Seidenwürmer Gewebe<br /> Drunter süße Maulbeerlein.</p> <p>Hier hab&#039; ich&#039;s im Arm gewieget<br /> Hier am Herzen drückt&#039; ich&#039;s fest,<br /> Lieblich hat sich&#039;s angeschmiegen<br /> Und du Vogel trugst&#039;s ins Nest.</p> <p>Armer Mann, dein Glück ich wette,<br /> War ein Liebchen und kein Strauß<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette<br /> Und du gingst allein zu Haus.</p> <p>Meinst du? – Nun so sag mir Quelle<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Trug&#039;s ins Meer nicht deine Welle<br /> Ei dein Glück, ei sage wen?</p> <p>Eine tauberauschte Rose<br /> Und zwei Rosentöchterlein<br /> Frühlingsträume ihr im Schoße,<br /> Wachten auf und schliefen ein.</p> <p>Hier am Herzen hat&#039;s gehauchet,<br /> Süßen Duft, Goldbienen schwer<br /> Sind die Küsse eingetauchet.<br /> Fort ist&#039;s – Ach du trugst&#039;s ins Meer.</p> <p>Armer Mann, dein Glück ich wette,<br /> Linder war dein Rosenlos<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette<br /> Heim trugst du die Dornen bloß.</p> <p>Meinst du, will ich Taube fragen,<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Nicht ins Felsennest getragen?<br /> – Ei dein Glück! – ei sage wen?</p> <p>Eine goldne Honigwabe,<br /> Süßen Seim und Wachs so rein<br /> Aller Küsse Blumengabe<br /> Schlossen drin die Bienen ein.</p> <p>Ach ich trug es an die Lippen<br /> Duftend, schimmernd, süß und lind<br /> Durft&#039; ein bißchen daran nippen<br /> War doch ein verwöhntes Kind.</p> <p>Armer Mann, dein Glück, ich wette,<br /> Linder war&#039;s, als Honigseim<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette,<br /> Und du gingest einsam heim.</p> <p>Meinst du? – will ich Echo fragen,<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn,<br /> Und willst allen wieder sagen?<br /> Ei dein Glück, ei sage wen?</p> <p>Einer Stimme süßes Klagen<br /> Locken, Flüstern, Wonn&#039; und Weh&#039;,<br /> Nachtigallen-Traumeszagen<br /> Bitte, bitte, geh o geh!</p> <p>Mir am Herzen hat&#039;s gewehet<br /> Alle Wonnen, allen Schmerz,<br /> Wie ein Kinderseelchen flehet<br /> Unter süßem Mutterherz!</p> <p>Armer Mann! dein Glück, ich wette,<br /> War ein linder träumend Wort,<br /> Fleht&#039; aus deinem Arm zu Bette,<br /> Du gingst einsam dichtend fort.</p> <p>Meinst du. – muß ich Rose fragen,<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Birgt dein Schoß nicht süßes Zagen.<br /> Ei dein Glück: Ei sage wen!</p> <p>Süßes Duften, wachend Träumen,<br /> Hülle, Fülle, süß und warm<br /> Bienenkuß an Rausches Säumen<br /> Irrend, suchend, Rausches arm.</p> <p>Hier am Herzen hat&#039;s geblühet,<br /> Meine Seele süß umlaubt,<br /> Liebe hat mein Blut durchglühet,<br /> Hoffnung hat doch nicht geglaubt.</p> <p>Armer Mann, dein Glück ich wette<br /> Linder war&#039;s, als Trunkenheit<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette<br /> Du gingst einsam, kühl, es schneit.</p> <p>Meinst du, frage ich die Sterne,<br /> Habt ihr nicht mein Glück gesehn?<br /> Sterne sehn ja Augen gerne.<br /> Ei dein Glück? ei sage wen?</p> <p>Lockennacht an Himmelsstirne<br /> Sinnend, minnend Doppellicht,<br /> Augen blitzend Glücksgestirne,<br /> Andern Sternen folg&#039; ich nicht.</p> <p>Sah&#039;s von Tränen tief verschleiert<br /> Sah&#039;s von Sehnen tief durchglüht<br /> Sah&#039;s durchleuchtet, sah&#039;s durchfeuert<br /> Sah&#039;s wie Liebe blüht und flieht.</p> <p>Armer Mann, dein Glück ich wette<br /> War ein linder Augenschein,<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette,<br /> Durch die Nacht gingst du allein.</p> <p>Meinst du, muß die Lilie fragen<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Reimt sich dir, doch darf&#039;s nicht sagen.<br /> Ei dein Glück, ei sage wen?</p> <p>Eine, eine, sag nicht welche,<br /> Stand im Gärtchen nachts allein<br /> Sah o Lilie! deine Kelche<br /> Überströmt von Lichtesschein.</p> <p>Hat von Lilien, Engeln, Sternen<br /> Schon an meiner Brust geträumt,<br /> Alle Nähen, alle Fernen<br /> Mir mit Dichtergold gesäumt.</p> <p>Sel&#039;ger Mann, dein Glück, ich wette<br /> Ist Emilie, fein und lieb<br /> Ging aus deinem Arm zu Bette<br /> Dir des Traumes Goldsaum blieb.</p> <p>Meinst du, muß Emilien fragen,<br /> Hast du nicht mein Glück gesehn<br /> Hast du&#039;s in dein Bett getragen?<br /> – Ei dein Glück, o sage wen?</p> <p>Ein Süßlieb, schwarzlaub&#039;ge Linde<br /> Schwüle, kühle, süße Glut,<br /> Feuermark in Eises Rinde<br /> Hüpfend Kind in freud&#039;gem Blut.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/14-15-april-1834" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="14.–15. April 1834" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3424 at https://www.textarchiv.com Lied von der Wüste https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/lied-von-der-wueste-0 <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Ich bin durch die Wüste gezogen,<br /> Des Sandes glühende Wogen<br /> Verbrannten mir den Fuß,<br /> Es haben die Wolken gelogen,<br /> Es kam kein Regenguß.</p> <p>Die Sonne trank mir im Zorne<br /> Das Wasser aus jeglichem Borne<br /> An dem die Reise geruht,<br /> Ich dürste, es leckten die Dorne<br /> Meiner brennenden Wunden Blut.</p> <p>Ich nahm den erschlagnen Kamelen<br /> Das Wasser und Blut aus den Kehlen<br /> Zu retten mein Weib und Kind,<br /> Die Schätze an Gold und Juwelen<br /> Begrub im Sande der Wind.</p> <p>Da wühlt&#039; ich mit glühendem Schwerde<br /> Den Kindern manch Grab in die Erde<br /> Erwühlte mir keinen Quell,<br /> Ob Gott sie wohl finden werde,<br /> Die Hyänen heulten grell.</p> <p>Ein Kind unterm Mutterherzen<br /> Brach mit ihm, in schreienden Schmerzen<br /> Gebar sie es sterbend dem Tod,<br /> Es goß gleich glühenden Erzen<br /> Die Sonne mir Licht in die Not.</p> <p>Gern hätte ich Tränen getrunken,<br /> Die Augen weinten nur Funken,<br /> Ich wühlt&#039; noch ein Grab in den Sand,<br /> Und bin in Verzweiflung gesunken,<br /> Ach weil ich kein Wasser fand.</p> <p>Da ward ich zur wandelnden Leiche,<br /> Auf daß ich den Brunnen erreiche,<br /> Den letzten auf glühender Bahn,<br /> Und wie ich so lechzend hinschleiche,<br /> Da brüllen die Tiger mich an.</p> <p>Des Tages glühende Schwelle<br /> Verbrannte, da kam ich zur Stelle,<br /> Der Brunnen war trocken und tot<br /> Es glühte zur Mitternacht helle<br /> Der Mond wie Kupfer so rot.</p> <p>Der Tod flog auf aus der Wüste,<br /> Und schauderte, da ich ihn grüßte,<br /> Und floh, da rief ich ihm zu,<br /> Daß einer hier sterben müßte,<br /> Er schrie mir: Erst lebe du!</p> <p>Denn sterben heißt Ruhe erwerben<br /> Drum kannst du nicht leben nicht sterben<br /> Der Durst ist unendlich in dir,<br /> Dein Erbteil, das will ich nicht erben<br /> So schrie er, und eilte von mir.</p> <p>Und heulend flog der Geselle<br /> Wüsteinwärts mit Pfeilesschnelle<br /> Der Sand schlug rasselnd um ihn,<br /> Da traf mich die glühende Welle<br /> Ach, daß ich erblindet bin.</p> <p>O Nacht ohn&#039; Anfang und Ende!<br /> Kein Stern, wohin ich mich wende,<br /> Kein Bogen, kein Pfeil kein Ziel,<br /> Da rang ich betend die Hände,<br /> Bis die Decke mir niederfiel.</p> <p>Da fühlt&#039; ich das Ziel mir gekommen<br /> Die glühende Leiter erklommen,<br /> Ich schrie zu dem bitteren Stern<br /> Der Herr hat gegeben, genommen<br /> Gelobt sei der Wille des Herrn!</p> <p>Da hört&#039; ich ein Flügelpaar klingen<br /> Da hört&#039; ich ein Schwanenlied singen,<br /> Und fühlte ein kühlendes Wehn<br /> Und sah mit tauschweren Schwingen<br /> Einen Engel in der Wüste gehn.</p> <p>Und als ich ihn fragend begrüßte,<br /> Sag an, du Engel der Wüste<br /> Wie find&#039; ich den Wasserquell?<br /> Sprach er: wer treulich büßte,<br /> Der steht an der Brunnenschwell&#039;.</p> <p>Sag an, du Engel der Wüste,<br /> Und find&#039; ich den Quell, da ich büßte,<br /> Wo find&#039; ich Jerusalem<br /> Da sprach er: so ich das nicht wüßte,<br /> Käm&#039; ich nicht von Bethlehem.</p> <p>So folge nun meinem Gleise,<br /> Blind wandeltest du im Kreise,<br /> Nach Jerusalem wolltest du,<br /> Reich mir die Hand auf der Reise,<br /> Du zogst nach Babylon zu.</p> <p>Der Herr trieb tausend Meilen<br /> Mich her um dich zu heilen,<br /> Zu brechen mein Brot mit dir,<br /> Den Becher mit dir auch zu teilen,<br /> Wohlauf, nun folge du mir.</p> <p>Und vor ihm kniete ich nieder,<br /> Er legte sein tauicht Gefieder<br /> Mir kühl um das glühende Haupt,<br /> Und sang mir die Pilgerlieder<br /> Da hab&#039; ich geliebt und geglaubt.</p> <p>Da sah ich den Himmel wohl offen,<br /> Ach Gott! Kühl herniedergetroffen<br /> Kam die Gnade, die Segensflut,<br /> Da konnte ich endlich auch hoffen,<br /> Auf meines Erlösers Blut.</p> <p>Da sang ich, reich treulich die Hände,<br /> Die Augen nicht vor meinem Ende,<br /> O Schwesterlein von mir<br /> Nur nimmer, nimmermehr wende,<br /> Du, ich, wir sind nun ein Wir.</p> <p>Ein Tempel sei wo wir knien,<br /> Ein Glück sei, für das wir glühen<br /> Ein Streit, ein Siegespanier<br /> Ein Ort sei, wohin wir ziehen<br /> Ein Himmel sei dir und mir.</p> <p>So haben wir da wohl gesungen,<br /> Und Hand in Hand da geschlungen<br /> Und Flügel in Flügelpaar<br /> Uns über die Wüste geschwungen,<br /> Die ein Garten voll Segen war.</p> <p>Dies war wohl ein innerlich Sehen<br /> Ein innerlich Auferstehen<br /> In mir selber erwachte der Geist<br /> Die Wüste, das waren die Wehen<br /> In denen mein Leben gekreißt.</p> <p>All was ich verloren, begraben,<br /> All was ich allein, um zu haben<br /> In der heißen Wüste gesucht,<br /> Das soll mich im Geiste nun laben,<br /> In unverbotener Frucht.</p> <p>O Schimmer, o Lichter, o Farben,<br /> O alle ihr goldenen Garben,<br /> In Duft, in Sonne, im Tau,<br /> Ich schwelge, ich kann nicht mehr darben,<br /> Gott grüß&#039; dich mein geistlicher Pfau!</p> <p>Ach alles, was je ich gewesen<br /> Kann dir in dem Spiegel ich lesen<br /> Kann vor dir in Tränen vergehn<br /> Kann vor dir in Reue genesen,<br /> Kann mit dir dann auferstehn.</p> <p>Und will dieser Abend verglimmen<br /> Laß höher und höher uns klimmen<br /> Auf Golgatha sinkt keine Nacht,<br /> Es singen da ewige Stimmen<br /> Am Kreuze, nun hab&#039; ich vollbracht.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/lied-von-der-wueste-0" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Lied von der Wüste" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3427 at https://www.textarchiv.com Am ersten Sonntage des Advents https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/am-ersten-sonntage-des-advents <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Wie der Sommer folgt der Blüte,<br /> Folgt den Zeichen das Gericht,<br /> Spricht ermahnend heut in Güte,<br /> Der dann strenges Urteil spricht.</p> <p>Merk! der Heiland nennt die Zeichen,<br /> Die vor dem Gericht ergehn,<br /> Daß geheilet, ohn&#039; Erbleichen<br /> Wir den Richter kommen sehn.</p> <p>Wie dein Urteil fällt, so fall&#039; es,<br /> Herr! nur deine Gnade gieb,<br /> Daß ich Gott stets über alles,<br /> Wie mich selbst den Nächsten lieb&#039;.</p> <p>Meine Schuld will ich bereuen,<br /> Stark durchs heil&#039;ge Sakrament,<br /> Dann mich meines Richters freuen,<br /> Der die Seinen selig nennt.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/am-ersten-sonntage-des-advents" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Am ersten Sonntage des Advents" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3426 at https://www.textarchiv.com 24. August 1834 https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/24-august-1834 <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Bienen, die ich ausgesendet<br /> Nach dem süßen Blumenstrauß,<br /> Der allein noch Honig spendet,<br /> Bringet Labung mir nach Haus<br /> Gute Ruh&#039;! gute Ruh&#039;!<br /> O süße Turtel! wie marterst du?</p> <p>Küsse, die ich heiß gesäet,<br /> Wo die Lindenblüte ruht,<br /> Bringt den Duft, der sie umwehet,<br /> Her zu meines Herzens Glut.<br /> Gute Ruh&#039;! gute Ruh&#039;!<br /> O süße Turtel! wie marterst du?</p> <p>Seufzer, meines Leidens Boten,<br /> Die der Lieben Schlaf belauscht,<br /> Kehrt zu mir von ihres roten<br /> Süßen Mundes Hauch berauscht<br /> Gute Ruh&#039;! gute Ruh&#039;!<br /> O süße Turtel! wie marterst du?</p> <p>Bienen, Küsse, Seufzer, trunken<br /> Fühl&#039; ich euch; o bange Lust<br /> Tragt in glühen Feuerfunken<br /> Ihr in meine kranke Brust.<br /> Gute Ruh&#039;! gute Ruh&#039;!<br /> O süße Turtel! wie marterst du?</p> <p>Und wie sich die Funken sammeln<br /> Um des kranken Herzens Traum,<br /> Höre ich es schlummernd stammeln<br /> An des Paradieses Saum:</p> <p>Sag! lichtes flücht&#039;ges Reh!<br /> Dess&#039; freier, milder Geist<br /> Jetzt in dem Paradiese selig kreist,<br /> Wie ist dir, wenn die wundervolle Fee<br /> Auf jener Hülle, die im Leben dich bedeckt,<br /> Die reinen, feinen, flinken Glieder<br /> Traumselig hin und wieder<br /> Gleich einem süßen Wiegenkinde streckt?<br /> Strebt dir ein tief Entzücken,<br /> Da sie auf deinem Mantel sich erkühlt<br /> Nicht gleich dem ersten Lüftchen übern Rücken,<br /> Das an dem Schöpfungstag mit dir gespielt?<br /> Es pocht ihr Herz und wallet,<br /> Die Lippe sehnend lallet,<br /> Des Blutes Wellen hüpfen,<br /> Wie durch die blühnden Büsche Quellen schlüpfen,<br /> Des schlanken Leibes Zierde,<br /> Ein Spiegelbild der spielenden Begierde,<br /> Wähnt einen Engel sich mit kranken Flügeln,<br /> Und träumt, nicht mächtig, Fluges Trieb zu zügeln,<br /> Auf schlanken Rehes Rücken sich zu schwingen,<br /> Und flüchtig selig durch den Wald zu dringen.<br /> – O zieht die Dornen ein, ihr trunknen Rosen,<br /> Und streut mit lindem Kosen<br /> Die duft&#039;gen Blätter und des Taues Tränen,<br /> Die Perlen, die nach ihrem Kuß sich sehnen,<br /> Dem süßen Wunderbilde,<br /> Das wie der Pfeil der ersten Liebeslust<br /> So flüchtig mild und wilde<br /> Vorüberzückt, entzückt zur reinen Brust!<br /> Ihr Blumen stehet still, ihr nachzusehen.<br /> Ihr braucht euch nicht zu bücken,<br /> Sie wird mit Sehnsuchtsblicken<br /> An euch wie Maies Wehen<br /> So süß vorüberzücken,<br /> Und dort du schlanke Lilie<br /> In reinen Kelchen Lichtes Engel tragend,<br /> O bebe nicht so zagend<br /> Es naht dein süß Gespiel,<br /> Die liebliche Emilie,<br /> Die vor berauschten Bienen auf der Flucht<br /> Sich deiner Kelche heiliges Asyl<br /> Als ein vertrautes liebes Bettchen sucht.</p> <p>Komm Friede, süßer Friede!<br /> Komm Tau so lau und lind<br /> Emilie ist so müde,<br /> Es schwebt das flücht&#039;ge Kind<br /> Bei dir o Lilie nieder<br /> Und lauscht der Schlummerlieder,<br /> Die ihm die Engel singen;<br /> Das Reh will nicht mehr springen,<br /> Leis um die schlanken Glieder<br /> Schleicht ihm der Schlaf herauf<br /> Es legt sein feines Köpfchen<br /> Dem lieblichen Geschöpfchen<br /> Ans Herz und über Hügel<br /> Bewegt von stiller Wonne<br /> Geht eine innre Sonne<br /> Ihm selig träumend auf.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/24-august-1834" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="24. August 1834" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3423 at https://www.textarchiv.com O wie ist der Epheu treu! https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/o-wie-ist-der-epheu-treu <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>O wie ist der Epheu treu!<br /> Kann er sich nicht selbst erheben<br /> Kann er gleich dem Wein nicht reben,<br /> Kann er doch so liebend ranken<br /> An den Armen an den Kranken<br /> Auf zum wahren Weinstock streben!<br /> O wie ist der Epheu gut<br /> Wo er nur ein bißchen ruht<br /> Gleich die Würzelchen fest klammern,<br /> Daß die Trennung ihn muß jammern,</p> <p>O wie ist der Epheu treu,<br /> Wenn die Grabesurne bricht<br /> Läßt sie doch der Epheu nicht<br /> Bindet um die Asche fest die Scherben,<br /> Denn getrennet muß er sterben.<br /> O wie ist der Epheu hold<br /> Aus der Wüste steigt er auf<br /> Wie die Braut die sich auf den Geliebten stützet.</p> <p>O wie ist der Epheu zäh<br /> Von der Wurzel losgeschnitten<br /> Werden Wurzeln seine Zweige<br /> Daß er nie von jenem weiche<br /> Was er einmal hat umarmt.</p> <p>O wie ist der Epheu sinnend<br /> Und das was er sinnet minnend,<br /> Wer trennt mich von meiner Liebe,<br /> Um das Kreuz schlingt er die Triebe.<br /> In der Wüste lag ein Stein<br /> So allein, allein, allein<br /> Kam der Epheu zäh und kraus<br /> Baute drum ein grünes Haus<br /> Immergrün ist er geblieben<br /> Sollte ihn der Stein nicht lieben.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/o-wie-ist-der-epheu-treu" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="O wie ist der Epheu treu!" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 17:05:01 +0000 mrbot 3422 at https://www.textarchiv.com Lied von eines Studenten Ankunft in Heidelberg https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/lied-von-eines-studenten-ankunft-in-heidelberg <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Im achtzehnhundertsechsten Jahr<br /> Der sechsundzwanzigst&#039; Juli war,<br /> Für mich ein schöner Reisetag,<br /> Mein Bündlein leichter auf mir lag,<br /> Ein Säbel oben drüber hieng,<br /> Ganz froh ich durch die Bergstraß&#039; gieng.<br /> Und sah mich ganz vergnüget um<br /> In Gottes Welt, dem Heiligtum,<br /> Die Berge rechts mit Wein begrenzt,<br /> Die Ebne links wie Gold erglänzt,<br /> Von mancherlei Frucht und Getreid&#039;,<br /> Darin viel schwäb&#039;sche Schnittersleut&#039;,<br /> Die Sonn&#039; sank nieder überm Rhein,<br /> Gab Himmel und Erd&#039; ein&#039; schönen Schein,<br /> Die Wölklein, die am Himmel schwammen,<br /> Die zogen gülden sich zusammen,<br /> Ein warmer Regen goß herab,<br /> Den wart&#039; ich unterm Nußbaum ab,<br /> Ein Bäuerlein trat auch darunter,<br /> Und grüßt&#039; mich da ganz froh und munter:<br /> »Ein&#039; guten Abend, ein&#039; gute Zeit,<br /> Wohin geht noch die Reise heut&#039;?«<br /> »Nach Heidelberg, bin ein Student,<br /> Von Jena komm&#039; ich hergerennt,<br /> Die Sonn&#039; sich neigt, hab&#039; ich noch weit?«<br /> Der Landmann sprach: »Nehm&#039; er sich Zeit,<br /> Ein&#039; kleine Stund&#039;, dort um die Eck&#039;,<br /> Da schaut es ihm entgegen keck.«<br /> Da bot ich ihm ein&#039; gute Nacht<br /> Und hab&#039; mich auf den Weg gemacht,<br /> Und da ich um die Ecke bog,<br /> Ein kühl Lüftlein mir entgegen zog,<br /> Der Neckar rauscht aus grünen Hallen<br /> Und giebt am Fels ein freudig Schallen,<br /> Die Stadt streckt sich den Fluß hinunter,<br /> Mit viel Geräusch und lärmt ganz munter,<br /> Und drüber an grüner Berge Brust,<br /> Ruht groß das Schloß und sieht die Lust,<br /> Und da ich auf zum Himmel schaut&#039;,<br /> Sah ich ein Gottes Werk gebaut,<br /> Vom Königstuhl zum heil&#039;gen Berges Rücken<br /> Sah ich gesprengt eine goldne Brücken,<br /> Sah ich gewölbt des Friedens Regenbogen,<br /> Und sah ihn wieder in Flusses Wogen.<br /> Da war er doch nicht also klar,<br /> Der wilde Fluß zerriß ihn gar,<br /> Gab mir so recht ein Beispiel breit<br /> Von Gottes Fried&#039;, und Menschenstreit,<br /> Und wie ich denk&#039; und seh&#039; in Fluß,<br /> Da fällt ein schwerer Kanonenschuß,<br /> Frau Echo murrt im Tal noch lang,<br /> Da hebt sich aber ein froher Klang,<br /> In allen Türmen die Glocken schwanken,<br /> Beginnen ein hell harmonisch Zanken,<br /> Da war mein Herz mir ganz bewegt,<br /> All Bangigkeit ich von mir legt,<br /> Den Sinn in freud&#039;gen Ernst gestellt<br /> War mir&#039;s beinah als einem Held,<br /> Tat auch den Säbel um mich schnallen,<br /> Ein Epheukranz vom Hut ließ wallen,<br /> Und grüßte froh die werte Stadt,<br /> Die mein Ahnherr besungen hat,<br /> Mir war, als wär&#039; das Läuten und Schießen,<br /> Für mich ein freudiges Begrüßen,<br /> Mein Herz auch ganz in Jugend sprang,<br /> Und erzittert&#039; im hellen Glockenklang,<br /> Da eilt&#039; ich schnell, sah nicht zurück,<br /> Bis auf die kühne Neckarbrück&#039;,<br /> Dragoner fragten sehr höflich<br /> Um meinen Stand und Namen mich.<br /> »Opitz von Boberfeld, Student,«<br /> – Passiert – ich macht&#039; ein Kompliment,<br /> Und auf der Brücken, die fest und rein,<br /> Sah ich zwei künstlich Bild von Stein,<br /> Frau Pallas schaut&#039; ernst ins grüne Tal,<br /> Mit vier Fakultäten allzumal,<br /> Ich tat sie höflich salutieren<br /> Und meinen Säbel präsentieren,<br /> Steckt&#039; ihn doch wieder ein gar schnell,<br /> Als ein bescheidener Gesell<br /> Beim zweiten Bild, gleich an dem Tor,<br /> Dem verstorbnen Fürst, Karl Theodor.<br /> Mein Bündel legt&#039; ich ab im Hecht,<br /> Der Wirt, der Kellner und Hausknecht<br /> Erquickten mich auf alle Weis&#039;<br /> Mit Wasser, Wein und guter Speis&#039;.<br /> Nach Tisch konnt&#039; ich nicht sitzen bleiben,<br /> Wollt&#039; mich noch durch die Stadt rumtreiben,<br /> Es fiel ein heller Mondenschein<br /> Gar lockend in die Straßen ein;<br /> Viel Volks sah ich herummerschweifen,<br /> Den einen singen, den andern pfeifen,<br /> Viel Jungfern, sich in Arm gehängt,<br /> Kamen da auf und abgeschwenkt,<br /> Auf einmal geht es an ein Laufen,<br /> Sie rennen sich gar übern Haufen,<br /> Stehn auf und hören&#039;s gar nicht an,<br /> Spricht einer: »Hab&#039;s nicht gern getan.«<br /> Einen Trompeter hört man blasen,<br /> Musik sticht ihnen in die Nasen,<br /> Da lauf&#039; ich immer hintendrein,<br /> Bis zu dem Mitteltor hinein.<br /> Da steht gedrückt ein großer Klumpen<br /> Von Mägd&#039; und Knechten, die sich stumpen,<br /> Ein&#039; lebend&#039;ge Schanz, von Leuten dick,<br /> Drückt rings sich um die Nachtmusik.<br /> Am Wachthaus schleich&#039; ich mich heran,<br /> Und komm&#039; auf einen weiten Plan,<br /> Da war mir&#039;s wohl, da hört&#039; ich&#039;s schallen,<br /> Von hohen Häusern widerhallen,<br /> Oben über eine andre Welt,<br /> Grüne Berge rings herum gestellt,<br /> Fagott und Flöt&#039; und Klarinetten<br /> Beginnen da ein lieblich Wetten,<br /> Die süßen Pfeifen drumher schleifen,<br /> Trompeten scharf in die Nacht eingreifen,<br /> Waldhorn bald fern, bald nahe ruft,<br /> Musik schwamm selig in Sommerluft.<br /> Auf einer Bank ich niedersaß,<br /> Und in den Melodeien las,<br /> Da hob sich an ein&#039; Melodei<br /> Gar ernst von aller Weltlust frei,<br /> God save the King, so heißt das Lied,<br /> Das feierlich zum Himmel zieht,<br /> Und fleht mit rührenden Geberden,<br /> O Schöpfer Himmels und der Erden!<br /> Erhalte uns den guten Herrn,<br /> Wir wissen&#039;s wohl, du hast ihn gern,<br /> Doch sieh sein treues Volk auch an,<br /> Wir sind mit Freuden untertan,<br /> In hoher Tugend führt der Greis<br /> Des Landes Glück in sicherm Gleis,<br /> Brichts ringsumher in dieser Zeit,<br /> Er führt uns herrlich durch den Streit,<br /> Die Künste sind ihm wohl vertraut,<br /> Hat ihnen manchen Sitz erbaut,<br /> Was göttlich in dem Geist ersteht,<br /> Was lebend hinterm Pflug aufgeht,<br /> Den geistlichen und ird&#039;schen Samen<br /> Streut fromm er aus in Gottes Namen,<br /> Laß ihn der Frucht teilhaftig werden,<br /> O Schöpfer Himmels und der Erden!<br /> Erhalte uns den guten Herrn,<br /> Wir wissen&#039;s wohl, du hast ihn gern!<br /> God save the King! sprach Melodei,<br /> Und Widerhall sprach laut: Es sei!<br /> Dann spielten, sie was Lust&#039;ges auf,<br /> Doch gab ich nicht recht acht darauf,<br /> Denn zu mir auf die Bank sich setzten<br /> Zwei Ehrenleut&#039;, die freundlich schwätzten,<br /> Die Frau sprach: »Leg&#039; mir&#039;s deutlich aus,<br /> Wo will&#039;s mit all dem Jubel &#039;naus,<br /> Was soll das Schießen und das Läuten,<br /> Und wiedrum die Musik bedeuten?«<br /> Der Mann sprach: »Morgen wirst erst fragen,<br /> Wenn ich werd&#039; einen Degen tragen,<br /> Und den bordierten Federhut,<br /> Dann, Alte, sei auf deiner Hut.<br /> Das heißt&#039;s nicht viel: ergebner Diener,<br /> Da heißt&#039;s: reich mir den Karabiner,<br /> Patrontasch&#039; her, und Pulver und Blei,<br /> Da bricht der Hausfried&#039; leicht entzwei.«<br /> Die Frau sprach: »Ist&#039;s der Hausfried&#039; nur,<br /> So ist mir&#039;s eine leichte Schur,<br /> Und zankst du gleich, freut&#039;s mich doch sehr,<br /> Wenn&#039;s heißt: Achtung, präsentiert&#039;s Gewehr.<br /> &#039;S giebt wieder Huldigung, nicht wahr?«<br /> Der Mann sprach: »Ei, warum nicht gar,<br /> Es ist ein frommes Freudenfest,<br /> Denn unser Herr ist krank gewest,<br /> Sehr krank und ist wiedrum genesen,<br /> Ich hab&#039;s in Zeitungen gelesen.«<br /> Die Frau sprach: »Hätten wir&#039;s recht gewußt,<br /> Das Fest macht&#039; uns wohl doppelt Lust,<br /> Hätten wir gebetet mit unsern Kleinen,<br /> Wir würden jetzt vor Freuden weinen.«<br /> Der Mann sprach: »Das ist so ein&#039; Sach&#039;,<br /> Wenn man ihr denkt recht ernstlich nach,<br /> Man glaubt schier, &#039;s gieng ein&#039;m gar nichts an,<br /> Man sei halt so der Untertan.<br /> &#039;S ist grad, wie mit der Religion,<br /> Der Pfarrer spricht zwar viel davon,<br /> Doch gieng&#039;s ein&#039;m nicht im Innern auf,<br /> Man käm&#039; sein Lebtag nicht darauf.«<br /> Die Frau sprach: »Hör&#039;, welch lust&#039;ger Tanz!<br /> Vor war die Musik ernsthaft ganz.«<br /> Der Mann sprach: »Jen&#039;s zum Himmel ging,<br /> Ein Gott sei Dank, God save the King!<br /> Dies ist ein muntres Hochzeitsstück,<br /> Es wünscht dem jungen Paare Glück,<br /> Dem lieben Erbprinz und seiner Gemahl,<br /> Die ihm geschenkt durch Gottes Wahl.<br /> Durch Gottes Wahl, ja wohl, ja wohl,<br /> Als ich Sie sah, da ward mir wohl,<br /> So freundlich, hell, so klar und fromm,<br /> Als ob Sie aus dem Himmel komm&#039;.<br /> Wie ist&#039;s wohl unserm Herrn gewesen,<br /> Als er war wiedrum neu genesen,<br /> Und ihm der Enkel, der stattliche Mann,<br /> Das liebe Weib geführt heran.«<br /> Die Frau sprach: »Das war neues Leben,<br /> Neu Hoffnung ihm und uns gegeben!«<br /> Der Mann sprach: »Komm, es schlägt schon zehn,<br /> Du mußt noch mein&#039; Montur nachsehn,<br /> Ans Licht wolln wir den Rock recht halten,<br /> So fliehn die Motten aus den Falten;«<br /> Die Frau sprach: »keine sind darein,<br /> Ich streut&#039; ihn dir mit Pfeffer ein;«<br /> Der Mann sprach: »ach, da werd&#039; ich nießen,<br /> Das wird den Kapitän verdrießen,<br /> Wenn&#039;s ganze Corps wird Prosit sagen;«<br /> Die Frau sprach: »&#039;s kann sich wohl vertragen,<br /> Ein gesegne&#039;s Gott, ein herzlich Nießen,<br /> Ist ja ein Vivat, ein Freudenschießen.<br /> Nun komm, der Abend ist schön verflossen,<br /> Die Ehen werden im Himmel geschlossen.«<br /> Dann giengen heim die Ehrenleut&#039;,<br /> Gott geb&#039; ihn&#039;n in den Kindern Freud&#039;!<br /> Auch ich sagt&#039; der Musik gut&#039; Nacht,<br /> Und hab&#039; mich auf den Weg gemacht;<br /> Manch Bierhaus da noch offen stand,<br /> Sie sangen, als gieng&#039;s fürs Vaterland,<br /> Auch hört&#039; ich seltsam Disputieren<br /> Von zweien alten Bürgern führen.<br /> Der ein&#039; sprach: »Ja die Hosen hier<br /> Behalt&#039; ich an, das glaub&#039; du mir,<br /> In runden Stiefeln werd&#039; ich gehn;«<br /> Der andre sprach: »Das wolln wir sehn,<br /> Wolln sehn, wer zu befehlen hat.<br /> Du beschimpfst das Corps, beschimpfst die Stadt.«<br /> Der erst&#039; sprach: »Ei, was Stadt, was Corps!<br /> Geb&#039; ich kein roten Heller vor.«<br /> Der zweit&#039; sprach da in großem Zorn:<br /> »Steifstiefel, gelbe Hosen und Sporn,<br /> Also mußt du dich stellen ein,<br /> Wir wollen sehn, wer Herr wird sein.«<br /> Der erst&#039; sprach wieder: »Ja, Ja, Ja,<br /> Nicht anders, diese Hosen da,<br /> Und meine runden halben Stiefeln.«<br /> Der zweite: »Ich will dich schon zwiefeln,<br /> Du kömmst, wie beim Karl Theodor,<br /> Beim Grundstein an dem neuen Tor.«<br /> Der erst&#039; sprach: »Morgen wirst du&#039;s sehn,<br /> Wir wollen jetzt nur schlafen gehn.«<br /> Der zweit&#039;: »Geschieht&#039;s, glaub&#039; sicherlich,<br /> So richt&#039; ich ein&#039; Kanon&#039; auf dich.«<br /> Da lachten beid&#039;, ich auch dazu,<br /> Und gieng auf meine Herberg zu. –<br /> Und wie ich gen die Brücke schaut,<br /> Hört&#039; ich den Neckar rauschen laut,<br /> Der Mond schien hell zum Tor herein,<br /> Die feste Brück&#039; gab klaren Schein,<br /> Und hinten an der grüne Berg!<br /> Ich gieng noch nicht in mein&#039; Herberg,<br /> Der Mond, der Berg, das Flußgebraus<br /> Lockt&#039; mich noch auf die Brück&#039; hinaus.<br /> Da war so klar und tief die Welt,<br /> So himmelhoch das Sterngezelt,<br /> So ernstlichdenkend schaut das Schloß,<br /> Und dunkel, still das Tal sich schloß,<br /> Und ums Gestein erbraust der Fluß,<br /> Ein Spiegel all dem Überfluß,<br /> Er nimmt gen Abend seinen Lauf,<br /> Da tut das Land sich herrlich auf,<br /> Da wandelt fest und unverwandt<br /> Der heil&#039;ge Rhein ums Vaterland,<br /> Und wie ans Vaterland ich dacht&#039;<br /> Das Herz mir weint, das Herz mir lacht&#039;,<br /> Setzt&#039; nieder mich auf einen Stein,<br /> Als wär ich auf der Erd&#039; allein,<br /> Das steinen Bild von Frau Minerven<br /> Tat zu mir her ein&#039;n Schatten werfen,<br /> Ich sah den Helm, ich sah den Speer,<br /> Die Augen waren müd und schwer,<br /> Recht innerlich geheim mein Denken,<br /> Ein Schlummer tät sich niedersenken,<br /> Der Mond hinter ein Wölklein trat,<br /> Ein Traum mich auch umgeben hat,<br /> Ein&#039; seltsam Zwiesprach&#039; ich vernimm,<br /> Karl Theodors Bild erhebt die Stimm.</p> <p>Karl Theodor:</p> <p>»Frau Pallas, sagt, was will man heut&#039;<br /> Mit all dem Schießen und Geläut&#039;?«</p> <p>Pallas:</p> <p>»Karl Friederich ist krank gewesen,<br /> Wir danken Gott, daß er genesen.«</p> <p>Karl Theodor:</p> <p>»Wir, sprichst du, bist du auch dabei,<br /> Ich glaubt&#039;, dir wär&#039;s ganz einerlei.«</p> <p>Pallas:</p> <p>»O sprich nicht so, und denk daran,<br /> Was alles Er für mich getan:<br /> Die Stadt stellt mich hierher in Stein,<br /> Er stellt ins Leben mich hinein –<br /> Zu meinen Füßen Gerechtigkeit,<br /> Durch Ihn sich großer Lehrer freut,<br /> Daneben Handel und Ackerbau<br /> Lebendig gehn durch Land und Au,<br /> Der Medizin schenkt er ein Haus,<br /> Manch Kranker geht gesund heraus.<br /> Chemia, Phisika, Philosophei,<br /> Studiern und sprechen, was Leben sei.<br /> Auch durch der Theologia Schleier<br /> Strahlt neu ein Licht, ein Augenfeuer,<br /> Gern nennt&#039; ich allem Volk dies Licht,<br /> Weil&#039;s aber taub ist, brauch&#039; ich&#039;s nicht.<br /> Sonst sah die Nase nur heraus,<br /> Und sprach, ich bin heut&#039; nicht zu Haus,<br /> Aufklärung füllte jedes Maul,<br /> Schaut&#039; durch die Eier und nannt sie faul,<br /> Weil sie nicht konnt durchs Hühnlein sehn,<br /> Blieb der Verstand ihr stille stehn,<br /> Sie blies das Ei aus, malt es an,<br /> Steckt auch ein Lichtlein hinten dran,<br /> Aufklärung heißt&#039;s, aus Religion<br /> Ward schier ein&#039; schlecht Illumination;<br /> Doch jetzt durch der Theologia Schleier<br /> Strahlt neu ein Licht, ein Augenfeuer.<br /> Was nur die großen Heiden dachten,<br /> Daß sie so gar nichts Schlechtes machten,<br /> Das tut Philologia lehren,<br /> Der Alten Spiegel recht sauber kehren,<br /> Daß Mann und Jüngling und auch Kind<br /> Die Helden schau, die nicht mehr sind,<br /> Paßt gleich der Spiegel nicht in die Zeit,<br /> Erquickt sich drein die Ewigkeit.<br /> Historia naht sich auch herzu,<br /> Und was geschehn, was man noch tu,<br /> Das spricht sie aus, das sieht sie ein,<br /> Sie soll des Lebens Herold sein,<br /> Und wenn mit Gott das Werk gedeiht,<br /> So geht hervor ein&#039; neue Zeit,<br /> Dann mag der Herold, so wie ich,<br /> Laut preisen den Karl Friederich!«<br /> Solch Red&#039; Frau Pallas ernsthaft führt,<br /> Zu ihren Füßen es sich rührt,<br /> Justitia mit der Waage klingt,<br /> Merkurius die Flüglein schwingt,<br /> Feldbau rauscht mit dem Erntekranz,<br /> Religios Haupt umgiebt ein Glanz. –<br /> Ein jedes tät sein&#039;n Beifall geben,<br /> Karl Theodor wollt&#039; die Stimm&#039; erheben,<br /> Da kommt ein großer Zug durchs Tor,<br /> Von alten Männern ein Ehrenchor,<br /> Sie trugen Bärt&#039;, seltsam Gewand,<br /> Wie ich etwa gemalet fand<br /> In alten Büchern die Doktoren,<br /> Die Philosophen und Professoren.<br /> Ich schaut&#039; sie gar andächtig an,<br /> Erkannt&#039; auch manchen großen Mann,<br /> Den ich etwa im Bildnis sah,<br /> Erasmus, Dalberg, Agricola,<br /> Reuchlin, Wimpfling, Öcolampadius,<br /> Melanchthon und auch Münsterus,<br /> Marquardus Freher und auch Mizyll,<br /> Donellus dann und andre viel,<br /> Die all einst hier gelehret hatten,<br /> Und auch gelernt, die heil&#039;gen Schatten<br /> Umgaben feierlich mit Fleiß<br /> Frau Pallas Bild in halbem Kreis.<br /> Ihr Antlitz strahlt&#039; in Freude ganz,<br /> Ihr&#039; weiße Bärt&#039; gaben einen Glanz,<br /> Die Lippen sie bewegen täten,<br /> Doch war es still, ich hört&#039; nicht reden,<br /> Die Hüt&#039; und Barett täten sie schwingen,<br /> Als ließen sie ein Vivat erklingen,<br /> Weil aber ich kein&#039; Stimm&#039; hört&#039; schallen,<br /> Wollt&#039; mir das Ding nicht recht gefallen;<br /> Beim Mantel zupft&#039; ich einen da,<br /> Den ich vor nicht im Antlitz sah,<br /> Er dreht sich um – der Musenheld,<br /> – Gekrönt – Opitz von Boberfeld!<br /> Der teure, werte Ahnherr mein,<br /> Schaut feurig mir ins Herz herein,<br /> Das wallt mir auf, die Zung&#039; erbebt,<br /> Die Stimme mein sich laut erhebt,<br /> Ich tät ein Lebehoch ausbringen,<br /> Karl Friedrich hoch! tät&#039;s widerklingen,<br /> Weiß nicht, ob es Frau Echo war,<br /> Oder der alten Gelehrten Schar,<br /> Es gab ein&#039;n Schall, daß ich erwacht,<br /> War ganz allein um Mitternacht;<br /> Von meinem Burschenhut ich nahm<br /> Den Epheukranz, mit Zucht und Scham<br /> Tät ich ihn hin nach Frau Minerven,<br /> Als eines Jünglings Opfer werfen;<br /> Ich dacht&#039;, bleibt er nur hängen oben,<br /> Als gutes Zeichen will ich mir&#039;s loben.<br /> Da flog der Kranz, da fiel der Kranz<br /> Ihr um den Helm im Mondesglanz!<br /> Gott gebe seinen Segen zu!<br /> Gut&#039; Nacht, ich geh&#039; nach Haus zur Ruh&#039;;<br /> Und wie ich in das Tor eintrat,<br /> War schlummerstill die ganze Stadt,<br /> Nur fern noch hört&#039; ich jubilieren,<br /> Ein einsam nächtlich Kommerschieren,<br /> Den Landesvater hört&#039; ich Euch singen,<br /> Tät Euch Studenten gut gelingen.<br /> Seid fleißig nur – fromm – toll – mit Witz,<br /> Dies wünscht von Boberfeld Opitz.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/lied-von-eines-studenten-ankunft-in-heidelberg" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Lied von eines Studenten Ankunft in Heidelberg" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 16:35:01 +0000 mrbot 3421 at https://www.textarchiv.com Kantate auf den Tod Ihrer Königlichen Majestät, Louise von Preußen https://www.textarchiv.com/clemens-brentano/kantate-auf-den-tod-ihrer-koeniglichen-majestaet-louise-von-preussen <div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:text content:encoded"><p>Zueignung</p> <p>Sieh mild, o hohe Frau, auf diese Zeilen<br /> Du liebtest Sie, wenngleich Dir unbekannt.<br /> Als Du, von ird&#039;schem Schmerze Dich zu heilen<br /> Zur vaterländ&#039;schen Quelle Dich gewandt<br /> Erweckte, Deine Liebe Ihr zu teilen<br /> In Deiner Brust, die Sehnsucht Gottes Hand<br /> Auch Sie war krank in Sehnsucht, Dich zu sehen,<br /> Sie wollt&#039; zu Dir, Sie mußt&#039; zum Himmel gehen.</p> <p>Und weil auf Erden würdig keine Stelle,<br /> Von Sünde und von Lüge unentweiht<br /> Daß Unschuld sich und Hoheit fromm geselle,<br /> Sich zuzuspieglen eine schönre Zeit,<br /> Rief Sie der Herr zu alles Lichtes Quelle.<br /> Dort bleibt ein selig Anschaun auch bereit,<br /> Wenn unter Dir auch ruht dies dunkle Leben<br /> Dem Deine Tugend noch muß Schimmer geben.</p> <p>Verzeihe, daß der Tod mir herrlich scheinet.<br /> Erfüllet von des Schicksals Bitterkeit,<br /> Hab&#039; ich als Mensch um deutsche Not geweinet,<br /> Als Christ erkannt des Lebens Eitelkeit –<br /> Doch ist zum Felsengrab die Zeit versteinet,<br /> Durchbricht sie Christi Sieg mit Herrlichkeit<br /> Mit ihm erstehn, die treu mit ihm gestorben,<br /> Es hat solch Heil, die Selige erworben.</p> <p>Clemens Brentano.</p> <p>O Herr! Sie ist bei dir, Sie ist bei dir!<br /> Tief unter Ihr<br /> Ruht diese dunkle Erde,<br /> Und aller Tränen Fall,<br /> Und aller Klagen Schall,<br /> Kauft Sie nicht los,<br /> Allmächtiger! aus deiner Liebe Schoß.</p> <p>Aber wir dürfen weinen,<br /> Weinen um Sie!<br /> Uns gehöret die Erde noch<br /> Und das Leid und die Trauer!</p> <p>Uns kehrt noch der Frühling wieder<br /> Läßt sich mit Blumen nieder,<br /> Und mit irdischem Entzücken<br /> Lassen wir uns noch berücken,</p> <p>O ihr Blumen! zu euch nieder<br /> Weinen, die euch künftig pflücken,<br /> Uns bleibt nur Ihr Bild zu schmücken,<br /> Sie kehrt nimmer, nimmer wieder!</p> <p>Weh! wie gehet ein Ruf<br /> Durch die Gefilde des Landes<br /> Wie schallet schreckend einer Posaune Schall<br /> An die Tore der Stadt!<br /> Ach, des Leides Maß, voll war es nicht<br /> In eiserner Zeit<br /> Sind die Schwerter unzählige<br /> Und überschwenglich<br /> Ist der Becher der Not!</p> <p>Die Tränen brechen aus,<br /> Sollen wir sprechen aus,<br /> Wie Sie gewesen ist,<br /> Die nun genesen ist,<br /> Von allem Leid,<br /> Die in der Krone Glanz,<br /> Die in der Blumen Kranz<br /> Glorreich und huldreich war,<br /> Die ein Gestirne klar<br /> Stand in der Zeit.</p> <p>In des Meeres öder Wüste,<br /> Wo die Sehnsucht ewig sucht,<br /> Uns ein klar Gestirn begrüßte<br /> Über unsrer Heimat Bucht.</p> <p>Freudig nach dem Sterne schauend,<br /> War das Segel aufgerollt,<br /> Und wir steuerten vertrauend,<br /> Wie es Plan und Fahrt gewollt.</p> <p>Aber o Trauer, wie tief dein Flug,<br /> Wie steigt eine Finsternis auf<br /> Unter dem schweren Fittich des Wehs,<br /> Eine Nacht decket unsre Augen<br /> Tränen, Tränen sind all unser Trost!</p> <p>Die Geliebte,<br /> Die uns liebte,<br /> Sie war selig<br /> Sie war selig<br /> Sie war selig unter uns!</p> <p>Die Geliebte,<br /> Die uns liebte,<br /> Sie ist selig<br /> Sie ist selig<br /> Sie ist selig ohne uns!</p> <p>Und wie wir auch bitter trauren<br /> Tränen zu den Tränen gießen<br /> Wachsen nur des Todes Mauren<br /> Die Sie ewig uns verschließen.<br /> Unerbittlich, unerschütterlich<br /> Ein kaltes Felsenhaus<br /> Stößet das Grab die Klage zurück.</p> <p>Heilig, heilig sind die Schmerzen<br /> Wölben einen festen Bogen<br /> Über unsre treuen Herzen<br /> Die die Trauer hat umzogen.<br /> Widertönend, widerspieglend,<br /> Ein Liebe schallender Tempel,<br /> Hallet das Grab die Klage zurück.</p> <p>Herrlich war Sie vor der Sonne<br /> Herrlich war Sie vor dem Licht<br /> Und es lachte hohe Wonne<br /> Auf dem holden Angesicht.</p> <p>Sie trug auf der hohen Stirne<br /> Würdig dieses Lands Gestirne<br /> Eine goldne Königskrone.</p> <p>Sie trug auf der edlen Stirne<br /> Aller Tugend schön Gestirne<br /> Eine süße Blumenkrone.</p> <p>Herrlich war Sie vor der Sonne,<br /> Herrlich war Sie vor dem Licht,<br /> Und es lachte hohe Wonne<br /> Auf dem holden Angesicht.</p> <p>Einen kenne ich,<br /> Wir lieben ihn nicht,<br /> Einen nenne ich,<br /> Der die Kronen zerbricht.<br /> Weh! sein Fuß steht im Staub,<br /> Sein Haupt in der Mitternacht<br /> Vor ihm wehet das Laub<br /> Zur dunklen Erde hernieder,<br /> Ohn&#039; Erbarmen<br /> In den Armen<br /> Trägt er die kindische taumelnde Welt,<br /> Tod, so heißt er<br /> Und die Geister<br /> Beben vor dir, du eiserner Held!</p> <p>Einen kenne ich<br /> Wer liebt ihn genug<br /> Einen nenne ich<br /> Der die Dornkrone trug.<br /> Heil! sein Fuß stehet im Licht<br /> Sein Haupt in der Glorie,<br /> Wo er gehet, zerbricht<br /> Des Todes eiserner Riegel.<br /> Voll Erbarmen<br /> In den Armen<br /> Trägt er die sterbliche liebende Welt,<br /> Jesus heißt er<br /> Und die Geister<br /> Beten dich an, du ewiger Held!</p> <p>Laß mich in die Mitte treten<br /> Wo die frommen Seelen stehn,<br /> Laß mich lieben, laß mich beten,<br /> Zu dem Grabe laß mich gehn.</p> <p>Seele, du Kristall!<br /> Gottheit, Lichtesschein!<br /> Du strömst überall<br /> In die Seele ein,</p> <p>Leib du herrlich Haus!<br /> Beide schließt du ein,<br /> Wie ein Blumenstrauß<br /> Duft und Farbenschein.</p> <p>Und ich will die Blumen pflegen<br /> Weil die Farbe ewig lebet,<br /> Wohlgeruch auch ewig schwebet,<br /> Muß sich gleich die arme Blume,<br /> Dieser Schrein der Heiligtume<br /> Welkend an die Erde legen.</p> <p>Ewig, ewig ist das Leben,<br /> Denn ich kann die Augen heben<br /> Kann in tiefer Klage beben,<br /> Kann auf Trauerliedern schweben,<br /> Und mein Herz ist hoch erheitert,<br /> Wenn der Schmerz es so erweitert.</p> <p>Und ich seh&#039; Sie in der Blüte,<br /> In der Reife vollem Segen,<br /> In dem Ernste, in der Güte,<br /> Wie Sie ging auf unsern Wegen,</p> <p>Bringet her die Blumenkränze<br /> Wölbet hohe Ehrenbogen,<br /> Daß Sie freudig nochmals glänze<br /> Wie Sie zu uns eingezogen.</p> <p>Teppiche breitet<br /> Auf Ihren Wegen<br /> Streuet die Blumen<br /> Der herrlichen Braut,</p> <p>Sehet, wie schreitet<br /> Der irdische Segen,<br /> Durch unsre Tore,<br /> Von Treue erbaut.<br /> Doch wie wir auch Palmen schwingen,<br /> Ihr die Lebenswünsche bringen,<br /> Wie wir Ihr auch Kränze schlingen<br /> Ach, es kann uns nicht gelingen,</p> <p>Ihre Milde, Ihre Güte,<br /> Ihrer Anmut grüßend Neigen,<br /> Ihrer Schönheit lichte Blüte,<br /> Kann kein Lobgesang erreichen.</p> <p>Stille, stille!<br /> Rede von Freude nicht,<br /> Singe mir heute nicht,<br /> Von der verlorenen, schimmernden Zeit.</p> <p>Hülle, hülle<br /> Schwarz deine Töchter ein<br /> Sie sollen Wächter sein<br /> Ehrend die Tote, mit Blumen bestreut.</p> <p>Ich will mir das Herz zerreißen<br /> Will die sel&#039;gen Tage preisen<br /> Bis mich tödlich trifft das Leid.</p> <p>Überm Grab ist eine Höhe,<br /> Und ich schreie, Wehe, Wehe!<br /> Schau&#039; ich rückwärts in die Zeit.</p> <p>Überm Grabe ist ein Hügel<br /> Daß die Trauer ihren Flügel<br /> Hebe zu der höhern Welt,</p> <p>Überm Grabe ist ein Gipfel<br /> Wo an steilem Kreuzeswipfel<br /> Triumphierte unser Held!</p> <p>Stille, stille<br /> Irdischer Klage Ruf,<br /> Er, der die Tage schuf,<br /> Stellt in die Nächte die Sterne hinein.</p> <p>Hülle, hülle<br /> Dich in die Nächte ein,<br /> Dort ist der echte Schein,<br /> Laß deinen Mantel voll Sternen sein.</p> <p>Auf dem hohen Tore flagget,<br /> Wo die Siegesgöttin stand,<br /> Eine schwarze Trauerfahne<br /> Ihre Schatten übers Land,</p> <p>Und auf dunkelem Gerüste<br /> Singt gehüllt in schwarzen Flor,<br /> Der Sie jubelnd sonst begrüßte<br /> Nun der Schüler Trauerchor:</p> <p>Du giengst in den Jugendgarten,<br /> Wolltest nach den Blumen sehn<br /> Die Du kindisch einst gepflanzet,<br /> Die in Gottes Sonne stehn.</p> <p>Wie Du so die Augen lenkest<br /> Auf des Gartens grünen Saum,<br /> Und der Blumen Leben denkest<br /> Trittst Du aus des Lebens Traum.</p> <p>Süßre Kelche sich erschließen,<br /> Jenseits liegt die trübe Welt,<br /> Und Du trittst zu Paradiesen<br /> Aus dem ird&#039;schen Rosenzelt,</p> <p>Und Dein Purpurmantel sinket<br /> Und es sinkt Dein Myrtenkranz,<br /> Aber Deine Krone blinket,<br /> Heller in des Himmels Glanz.</p> <p>Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer,<br /> Zu euch ziehet die Trauer ein.<br /> Und der bittre Schmerz<br /> Pflanzt sein Panier auf eure Mauern.<br /> Stark ist die Liebe,<br /> Sie hat gerungen fürs Vaterland,<br /> Aber stärker der Tod,<br /> Er hat euch geschlagen<br /> Wo ihr tödlich waret.</p> <p>Was wir liebten,<br /> Was wir ehrten,<br /> Was wir alle lieben lehrten,<br /> Was wir ewiglich begehrten,<br /> Ist entwichen, ist verblichen,<br /> Und es bringt ein dunkler Wagen,<br /> Was der Erde ist, getragen.</p> <p>Abendröte, Trauerbote,<br /> Unsre Tore stehen offen:<br /> Du hast uns mit Weh getroffen.</p> <p>Morgenröte, Mittag strahlend,<br /> O ihr sonnenvollen Tage,<br /> Die ich an dem Abend klage.</p> <p>Öffnet, öffnet die Tore der Stadt, ihr Männer<br /> Leget die Schlüssel<br /> Auf der Siegerin Wagen,<br /> Die uns geführet mit Liebe sonst,<br /> Die uns besieget mit Trauer jetzt,<br /> Ehret die Asche, ihr sterblichen Männer,<br /> Und weinet der Siegerin!</p> <p>Die Krieger, die zur Schlacht Sie führte<br /> Und denen Sie die Fahne gab,<br /> Sind Ihres letzten Weges Zierde,<br /> Geleiten Sie zum stillen Grab.</p> <p>Eine Halle ganz von Schmerzen<br /> Bilden Ihr des Volkes Reihn,<br /> Und Sie zieht durch tausend Herzen,<br /> Die Ihr fromme Tränen weihn.</p> <p>Und Ihr Auge ist geschlossen<br /> Siehet nicht des Volkes Leid,<br /> Sie hat Tränen sonst vergossen,<br /> Als uns traf die schwere Zeit.<br /> Sie ziehet ein<br /> Des Landes Wonne.<br /> Des Himmels Sonne<br /> Giebt keinen Schein.</p> <p>Weh, o Wehe unter Klagen<br /> Lassen wir den Trauerwagen<br /> Also still vorüberziehn,<br /> Können wir Sie zu erfreuen<br /> Nicht mehr jubelnd Blumen streuen<br /> Ihr der Blumen Königin.</p> <p>Auf Ihrem Sarge liegen Blumen<br /> Des frühen Todes rührend Bild,<br /> Auch Sie war eine schöne Blume,<br /> Sie decket jetzt des Todes Schild.</p> <p>Ich glaube keinen Tod,<br /> Und stürb&#039; ich alle Stunden,<br /> Ein schönres Morgenrot,<br /> Ist immer mir gefunden.</p> <p>Ewig, ewig wird Sie leben,<br /> Ist Sie nicht der Zeit geblieben,<br /> Hat Sie uns doch Kraft gegeben,<br /> Daß wir Sie auf ewig lieben.</p> <p>Ewig, ewig wird Sie leben,<br /> Denn Sie hat Ihr Lebensende<br /> Eine Christin hingegeben<br /> In des Endelosen Hände.</p> <p>Sehet, wie dränget das Volk sich<br /> Zu den Kleinodien des Reichs,<br /> Die auf des Landes Palast<br /> Traurig schimmern auf schwarzen Kissen.</p> <p>Dies ist die Krone,<br /> Ihr Männer des Landes,<br /> Die Sie getragen auf würdigem Haupt;<br /> Einsam ruhet der goldene Reif,<br /> Nimmer umschließt er die herrliche Stirn,<br /> Hoher Gedanken Tempel.</p> <p>Dies ist der Zepter,<br /> Den sie geführet in segnender Hand,<br /> Einsam ruhet der goldene Stab,<br /> Und Ihre Hände sind gefaltet<br /> Über Ihrem Herzen, das fromm war,<br /> Zu Gott, der Ihr gnädig sei!</p> <p>Tausend kommen, Tausend gehen<br /> Ihre Königin zu sehen,<br /> So die frommen Bienen ziehen,<br /> Wo die letzten Blumen blühen,<br /> Tragen Tränen in die Zellen,<br /> Wollen gern ein Grab bestellen<br /> Ganz aus Liebe, ganz aus Trauer,<br /> Ihrer hohen Königin!</p> <p>Stille, stille,<br /> Über den Toten<br /> Ruhet ein Traum<br /> Reißet nicht nieder<br /> Mit irdischem Schmerz<br /> Den Schirm, der die Toten schützet,</p> <p>Stille, stille<br /> Stehet das Herz<br /> Der Erblichenen,<br /> Und ihre Lippe schweigt,<br /> Stille gebietend.</p> <p>Und nun weichet von dem Lager,<br /> Einsam sei der Klage Haus,<br /> Denn es nahet Ihr der Nächste,<br /> Weinet seine Tränen aus.</p> <p>Meine Seele ist betrübet bis in den Tod<br /> Bleibet hier und wachet mit mir,</p> <p>Mein Vater ist es möglich,<br /> So gehe dieser Kelch von mir,<br /> Doch nicht, wie ich will,<br /> Sondern wie du willst.</p> <p>Mein Vater ist es nicht möglich,<br /> Daß dieser Kelch von mir gehe,<br /> Ich trinke ihn denn.<br /> So geschehe dein Wille.</p> <p>Es erschien ihm aber ein Engel<br /> Vom Himmel und stärkete ihn.</p> <p>Stillet die Klage,<br /> Schmücket die Trauer,<br /> Ihr sollet nicht zagen,<br /> Vor des Todes Schauer.</p> <p>Gebet der Erde,<br /> Was sie gegeben,<br /> Es blühet Leben<br /> Über dem Grab.</p> <p>Mit Blumen sei der Staub gezieret,<br /> Ein glänzend Haus sei ihm erbaut,<br /> Weil jetzt die Seele triumphieret,<br /> Und ihren Gott im Himmel schaut.</p> <p>Schwarz ist der Leichenzug, ein Schatten<br /> Vom Brautzug in des Himmels Höhn,<br /> Und ach! wir weinen in dem Schatten,<br /> Sie leuchtet in dem Lichte schön.</p> <p>Des Landes Herrn,<br /> Ich sah ihn weinen,<br /> Des Herzens Stern<br /> Will nicht mehr scheinen,<br /> Er steigt des Domes Stufen<br /> Er folget Ihr, Sie gieng ihm einst zur Seite<br /> Im Frieden, und im Streite,<br /> Und alle Herzen rufen:</p> <p>O Herr! Du warst mit Ihr,<br /> Der Bürgertugend Bild<br /> Auf unserm Throne,</p> <p>O Herr! Du trugst mit Ihr,<br /> Des treuen Volkes Schild,<br /> Die ernste Krone,</p> <p>O Herr! Sie stand bei dir<br /> So gütig und so mild,<br /> Der Himmel gab Sie dir zum Lohne,</p> <p>Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen,<br /> Der Wille des Herrn sei gelobet!</p> <p>Sieh, es folgen auch die Kinder,<br /> Die Sie auf der Erde ließ,<br /> Drei sind Ihr vorausgegangen,<br /> Sie im Himmel zu empfangen,<br /> Engel Ihrer Seligkeit!<br /> Und der Säugling schwarz verhüllet<br /> Wird den Brüdern nachgetragen,<br /> Nie betrat er noch die Erde,<br /> Die die Mutter ihm verschließt,<br /> Und er schlummert –</p> <p>Selig die Schlummernden,<br /> Ruhig pochet das Herz,<br /> Und es gaukelt der Schmerz,<br /> Ein Traum, über die Wiege hin,</p> <p>Selig die Unmündigen,<br /> Bunte Blumen und Flitterglanz,<br /> Schimmern im Totenkranz,<br /> Und ihr weinet und lächelt,<br /> Denn ihr versteht, ihr Unschuldige<br /> Das unsterbliche Leben!</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-author field-type-taxonomy-term-reference field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" rel="schema:author"><a href="/clemens-brentano" typeof="skos:Concept" property="schema:name" datatype="">Clemens Brentano</a></div></div></div><div class="field field-name-field-releasedate field-type-number-integer field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="schema:datePublished">1963</div></div></div><span rel="schema:url" resource="/clemens-brentano/kantate-auf-den-tod-ihrer-koeniglichen-majestaet-louise-von-preussen" class="rdf-meta element-hidden"></span><span property="schema:name" content="Kantate auf den Tod Ihrer Königlichen Majestät, Louise von Preußen" class="rdf-meta element-hidden"></span> Tue, 06 Sep 2016 16:35:01 +0000 mrbot 3420 at https://www.textarchiv.com