Sonntagmorgen

Durch den breiten Fensterbogen
Blick ich hinaus in stürmischen Frühling.
Grobgraue Wolken in dicken Flocken
Schieben sich drängend über das bleiige
Blau des Himmels, schwarze, geballte
Wolkenfäuste drohend voran.
Unten der Sturm faucht in das junge Grün
Wie eine gierige Löwenkatze,
Zaust die buschigen Wipfel, rauft,
Zerrt in den zitternden Locken des Laubs.
Steinern starr, spitzig schlank,
Ragt im grünen Sturmgeschwank,
Schnörkelblütig, rankenumklettert,
Keck in die Höh zu den jagenden Wolken,
Hochaufreckend ein goldenes Kreuz,
Der gotische Turm.
Und es klingt durch den Sturm
Vom Turm herab,
Dunkeltönig, wellig, breit,
Dumpf, ernst, tief
Kirchengeläute:
»Kommt – kommt, kommt – kommt,
Gott – ruft, Gott – ruft, – Kommt ...!«

Der Sturm stößt weiter, die Glocke verklingt,
Die Wolkenfäuste spreizen die schwarzen,
Knolligen Finger: Der Regen träuft.
Da schweigt der Sturm.
Ein Nebelgespinnst, eintönig, grau,
Schwankt vor dem Fenster.
Leises Rieselrauschen flirrt,
Frische Düfte atmenden Lebens
Kühlen herein.
Und ferne, ferne, über dem Mosaik
Des langen Kirchendaches (ein Meßgewand,
Steif golden hangend von Priesterschultern)
Thut lachend ein blaues Himmelsauge
Sich heiter auf.
Fröhlichen Lichtes ein kleines, blaues
Flämmlein, blinzelt es liebenswürdig
Und ein wenig malitiös
Ueber das protzige, fromme Dach,
Lacht und leuchtet, lacht und leuchtet,
Und wird größer im Lachen und Leuchten,
Und unermeßlich groß
– Gottes Auge! –
Wie die dumpfen Kirchenglocken
Heimwärts bimmeln ihre Heerde:
»Geht – geht, geht – geht!
Fromm – fromm, fromm – fromm, fromm ...
Heiter milde lacht das große,
Blaue Gottesauge.«

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